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Weserkurier Bremen, 01.04.2010 ©
Zu einem bedauerlichen Zwischenfall kam es in einem Gartenmarkt in Delmenhorst. Einem Mitarbeiter der Firma wurde beim Umtopfen einer frischen Lieferung von „Venusfliegenfallen“ von einer der Pflanzen die Fingerspitze abgebissen.
Venusfliegenfallen sind Pflanzen aus der Familie der Sonnentaugewächse, welche in natürlicher Form lediglich in einem eng begrenzten Gebiet in North und South Carolina in den Vereinigten Staaten anzutreffen sind. Die Besonderheit dieser Pflanzen liegt darin, dass sie über Fangblätter verfügt, mit deren Hilfe sie Insekten anlockt und fängt. Es handelt sich somit um eine so genannte „Fleisch fressende“ Pflanze, die sich in den Ziergärten auch der deutschen Bevölkerung steigender Beliebtheit erfreut.
Der Weserkurier sprach mit dem Eigentümer der Fa. Grüner Markt Adelheide, Herrn Waldemar Hasenbrinck.
Weserkurier: Einem Ihrer Mitarbeiter wurde die Spitze seines Mittelfingers abgebissen. Es hieß, dass eine Pflanze der Auslöser dieses Zwischenfalls war. Wie beurteilen Sie persönlich die Gefährlichkeit einer solchen Pflanze und sollte eine solche Pflanze überhaupt frei gehandelt werden?
Hasenbrinck: Zunächst einmal ist es bedauerlich, was unserem Mitarbeiter passiert ist, obwohl wir noch nicht klären konnten, wie es überhaupt zu diesem Unfall kommen konnte. Bei der Pflanze handelt es sich um eine Dionaea muscipula – das ist die offizielle lateinische Bezeichnung für die Venusfliegenfalle. Sie ist beliebt bei den Kunden, weil sie sich quasi davon ernährt, dass sie Insekten, also Fliegen und Mücken anlockt, fängt und verdaut. Das Zusammenklappen der Fangblätter ist dabei eigentlich ein absolut harmloser Vorgang, der für den Menschen vollkommen ungefährlich ist.
Weserkurier: Trotzdem ist aber ein Mensch verletzt worden.
Hasenbrinck: Ja, leider. Unser Mitarbeiter berührte beim Umtopfen der Pflanze die Rezeptoren der Fangblätter mit dem Finger, worauf hin diese so heftig zusammenklappten, dass die Fingerspitze regelrecht abgetrennt wurde. Einen solchen Vorfall hat es bisher noch nie gegeben und wir sind noch immer erschüttert und ratlos.
Weserkurier: Würden Sie nach diesem Vorfall den Kunden vom Kauf solcher „Venusfliegenfallen“ abraten?
Hasenbrinck: Im Grunde nicht. Ich halte die Pflanzen auch jetzt noch für harmlos. Eine Überprüfung der gesamten Lieferung ergab in keinem anderen Fall Reaktionen wie diese.
Prof. Dr. Hagen Deweleit von der botanischen Fakultät der Universität Bremen äußerte sich auf die Fragen des Weserkurier wie folgt:
Ich schließe mich grundsätzlich vollinhaltlich der Ansicht von Herrn Hasenbrinck an, dass es sich bei der Dionaea muscipula um eine äußerst interessante, aber harmlose Spezies handelt. Leider wissen Händler vielfach nicht, was ihnen da eigentlich geliefert wird. Die Dionaea muscipula stammt originär aus den Vereinigten Staaten, und zwar übewiegend aus North Carolina. Die meisten bei uns erhältlichen Pflanzen sind heimische Nachzuchten früher importierter Pflanzen. Was jedoch weniger bekannt ist, ist die Tatsache, dass in North Carolina – hier vorwiegend in den küstenfernen Regionen – auch die Dionaea muscipula majoris beheimatet ist. Sie ist mit dem bloßen Auge fast nicht von der „normalen“ Venusfliegenfalle zu unterscheiden. Diese Pflanze wächst in Gebieten, in denen Insekten als Nahrung allein das Überleben der Pflanze nicht sicherstellen können. Aus diesem Grunde hat sie Mechanismen entwickelt, auch andere tierische Nahrung aufnehmen zu können. Das Auslösepotential ihrer Fangblätter übersteigt das der bekannten Pflanze bei Weitem und kann durchaus zu empfindlichen Verletzungen führen.
Weserkurier: Wie kann eine so gefährliche Pflanze zwischen harmlose Venusfliegenfallen gelangen?
Prof. Dr. Deweleit: Die Venusfliegenfalle ist in ihrer normalen Umgebung inzwischen vom Aussterben bedroht. Verantwortungslose Händler mischen einfach die gefährlichere „Majoris“ unter die anderen Pflanzen, um ihr Soll zu erfüllen. Der Zwischenfall in Delmenhorst zeigt, wohin das führen kann.
Weserkurier: Was können Kunden tun, die bereits eine solche Pflanze gekauft haben und nun nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen?
Prof. Dr. Deweleit: Zum einen kann ich nur zu Vorsicht raten, zum anderen könnten Kunden durch gezielte Tests mit einem kleinen Stück Fleisch feststellen, ob sie die „Majoris“ besitzen, oder die harmlose Variante dieser Pflanze. Zweckmäßigerweise sollte man - solange man nicht sicher ist, welcher Klasse seine Pflanze angehört - das Fleischstückchen zum Beispiel mit Hilfe eines Zahnstochers an die Fangblätter halten.
Weserkurier: Was können Kunden tun, die feststellen, dass sie eine der gefährlichen "Majoris"-Pflanzen besitzen?
Prof. Dr. Deweleit: Im Grunde ist die Dionaea muscipula majoris eine Pflanze, wie jede andere auch. Sie muss nur mit besonderer Sorgfalt behandelt werden und hat andere Ansprüche, als ihre harmlose Schwesterpflanze. Kunden müssen selbst entscheiden, ob sie die Pflanze behalten wollen, oder ob ihnen dieses Gewächs in ihrer Wohnung oder im Garten zu gefährlich ist. Keinesfalls jedoch sollten sie eine solche Pflanze einfach wegwerfen, da - Sie können sich das sicher vorstellen - die "Majoris" in unserer heimischen Flora keine Entsprechung besitzt und damit auch keine Feinde - sofern man diesen Ausdruck auf eine Pflanze überhaupt anwenden kann. Sie würde sich über den Hausmüll ohne weiteres längere Zeit am Leben halten können und könnte sich wild vermehren.
Weserkurier: Wohin können sich Betroffene wenden, wenn sie eine solche Pflanze loswerden wollen?
Prof. Dr. Deweleit: Betroffene sollten sich unbedingt an die lokalen Stadtgärtnereien wenden und dort um Hilfe nachfragen. In der Regel wird man ihnen dort Rat und Hilfestellung geben. Die meisten städtischen Unternehmen sind auch sicher bereit, gegen eine geringe Gebühr die Pflanzen abzuholen oder zumindest an den öffentlichen Annahmestellen entgegenzunehmen.
Weserkurier: Wir danken Ihnen für die wertvollen Informationen.