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6. Das Leben in der Akademie
6.6 Landung
Die folgenden Tage gaben Jan die Gelegenheit, das Schiff vollständig zu untersuchen und zu erforschen. Bei allem Luxus an Bord war die Virgin 2 letztlich doch nichts anderes als ein ganz normales Raumschiff. Die technischen Spielereien waren zwar ganz nett, aber er liebte es im Grunde, viele Dinge von Hand zu erledigen - und eben das war in vieler Hinsicht auf diesem Schiff nicht möglich. Auch irritierte es ihn, dass er während des gesamten Fluges zur Erde nur wenig Kontakt zu den übrigen Passagieren bekommen hatte. Sie blieben meist in ihren Kabinen oder hielten sich in der Bar oder dem Restaurant auf, wo sie ebenfalls unter sich blieben. Ein wenig hatte er den Verdacht, dass sie sich für etwas Besseres hielten und so versuchte er auch nicht weiter, sich mit ihnen zu unterhalten.
Susann machte sich auch immer rarer und er sah sie meist nur, wenn sie spätabends in ihre gemeinsame Kabine kam. Dieser Phil hatte es ihr doch sehr angetan. Jan gönnte es ihr, und wie es schien, war auch Phil nicht nur oberflächlich an Susann interessiert.
Die Virgin 2 näherte sich bereits dem Orbit um die Erde und Jan hatte bereits sein bisschen Gepäck zusammengepackt, als Susann die Kabine betrat.
»Welch seltener Anblick in unserer Hütte«, empfing er sie.
Susann machte ein verstimmtes Gesicht. »Was willst du überhaupt? Wir sind kein Ehepaar. Wir teilen uns lediglich diese Kabine. Willst du mir etwa vorwerfen, dass ich einen netten Jungen kennengelernt habe?«
Jan winkte ab. »Jetzt reg dich ab. Ich zieh dich doch nur etwas auf. Denkst du etwa, ich bin eifersüchtig auf diesen Phil? Du erinnerst dich? Ich habe eine Freundin auf dem Mond. Okay, ich werd sie eine Weile nicht sehen können, aber ich bin dennoch in einer festen Beziehung.«
Susanns Blick wurde versöhnlicher. »Entschuldige. Ich hab’s auch nicht so gemeint. Vermutlich macht es mir nur zu schaffen, dass wir uns nach so kurzer Zeit schon trennen müssen.«
»Wie? Ist es schon wieder vorbei mit Phil? Ich hatte angenommen, dass es euch beiden ernster ist.«
Sie lachte. »Nein, es ist nicht so, wie du meinst. Aber ich reise jetzt weiter zur Erde und er wird mit der Virgin 2 weiterfliegen müssen. Er will mich jedoch demnächst auf dem Mond besuchen, wenn sein Schiff dort im Orbit ist. Das wird recht regelmäßig der Fall sein.«
Jan sah sie nachdenklich an. »Raumfahrer haben es nicht leicht. Vermutlich ist es unser Schicksal, fast immer nur eine Beziehung auf Distanz zu führen. Man lebt für die kurzen Momente, an denen man sich sehen darf. Ich drück dir jedenfalls die Daumen, dass es mit ihm besser läuft als mit Marco.«
Sie lächelte ihm zu. »Danke Jan. Es wäre wirklich schön.« Sie entdeckte die gepackten Taschen Jans. »Du hast schon gepackt? Wir haben doch noch nicht mal den Orbit erreicht.«
»Stimmt schon, aber das wird heute Nacht geschehen und morgen im Laufe der Morgenstunden, wird das Shuttle kommen und uns abholen. Ich hab keine Lust, deswegen früher aufzustehen.«
Sie nickte. »Ist schon okay. Du hast ja recht. Eigentlich schlafe ich ja auch gern aus, aber ausgerechnet morgen will ich noch mal in die Bar, um mich zu verabschieden. Phil hat den Frühdienst und kann nicht zum Shuttle kommen. Wenn du einen Moment wartest, pack ich meinen Kram schnell zusammen und wir könnten unser Zeug schon zur Gepäckabfertigung bringen.«
Jan zuckte mit den Achseln. »Mir soll’s recht sein.«
Er sah desinteressiert auf den TV-Bildschirm in ihrer Kabine, wo man bereits auf Erd-TV umgeschaltet hatte und man zwischen Hunderten von Kanälen wählen konnte. Früher hatte er das gern gemacht und zwischen den Programmen herumgezappt, doch die Zeit auf dem Mond hatte ihn verändert. Er fand keinen rechten Gefallen mehr daran. Aus den Augenwinkeln betrachtete er Susann, die überall herumwuselte und ihre Sachen einsammelte. Nach einer halben Stunde war sie fertig und lächelte ihn an. »Ich wär so weit. Sollen wir?«
Sie griffen ihre Taschen und machten sich auf den Weg zur Gepäckannahme. Wie auch auf irdischen Flughäfen musste man seine Sachen aufgeben, damit sie in speziellen Transportbehältern verstaut werden konnten. Im Gegensatz zur Ruhe in den vergangenen Tagen war inzwischen auf den Gängen mehr los. Viele Passagiere würden das Schiff zusammen mit ihnen verlassen und bereiteten sich ebenfalls auf die Abreise vor. Sie mussten warten, bevor man ihnen die Taschen abnahm.
»Was meinst du?«, fragte Susann. »Sollen wir noch einen Drink nehmen, bevor wir uns schlafen legen?«
Jan musste lachen.
Sie blickte ihn verstimmt an. »Was ist daran so lustig?«
»Lass mich raten. Phil hat auch jetzt noch Dienst, oder?«
Sie machte ein schuldbewusstes Gesicht. »Ertappt. Aber das musst du auch verstehen. Wir kennen uns erst wenige Tage und werden uns eine Weile nicht sehen können.«
»Ich versteh dich ja, aber es ist auch ein Wenig so wie eine Beziehung auf der Überholspur. Ihr kennt euch im Grunde doch noch nicht.«
»Eben! Wir haben doch so wenig Zeit, um herauszufinden, ob es was werden kann. Kommst du mit?«
»Hältst du das für eine gute Idee? Ich hab nicht vor, das fünfte Rad am Wagen zu spielen. Ich würde doch nur stören.«
»Quatsch!« Sie knuffte ihn leicht in die Seite. »Ich mag dich und Phil mag dich auch.« Sie hob drei Finger. »Ich verspreche, dass wir dich nicht ausschließen werden. Lass uns nur noch einen Drink nehmen und den Anblick der Erde genießen.«
Jan ließ sich überreden und sie machten sich auf den Weg zur Barkuppel. Es war überraschend voll, als sie aus dem Aufzug schwebten. Viele der Passagiere, die wie sie, zur Erde reisen würden, genossen noch einmal den grandiosen Anblick der blauen Erdkugel, die optisch über ihnen zu schweben schien. Es war einfach ein beeindruckender Anblick. Susann winkte Phil hinter seiner Theke zu, doch er hatte alle Hände voll zu tun und hob nur kurz grüßend seine Hand und lächelte ihnen zu. Susann zog Jan zu einem kleinen Tisch in einer Ecke, von dem aus man die Erde, aber auch die Theke gut im Blick hatte. »Hier sitze ich oft, wenn Phil arbeiten muss. Es ist schon kurios, aber ich habe in den vergangenen Tagen kaum an Marko gedacht. Erst jetzt - kurz vor dem Abstieg zur Erde - kommt er mir wieder in den Sinn.«
Sie verzog das Gesicht. »Irgendwie ist mir etwas mulmig dabei, ihm gegenüberzutreten.«
Jan sah sie überrascht an. »Wieso? Ich dachte, das Thema wäre für dich schon abgehakt. Er meldet sich nicht mehr und du hast jetzt ihn.« Er deutete mit dem Kopf zur Theke.
»Wenn das so einfach wäre ... Wie du schon sagtest: Wir kennen uns bisher kaum. Und was ist, wenn Marko gute Gründe hatte, sich nicht zu melden? Wenn ihm noch etwas an der Beziehung liegt?«
Jan schüttelte den Kopf. »Mach dir doch nichts vor, Susann. Kein Grund der Welt taugt, um sich nicht bei einem Mädchen zu melden, wenn einem Etwas an ihr liegt. Du solltest jetzt nach vorn schauen und nicht zurück. Triff dich mit Marko und regle, was zu regeln ist. Aber lauf ihm nicht nach.«
Susann sah ihn eine Weile schweigend an, beugte sich zu ihm herüber und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Danke. Du bist wirklich ein guter Freund.«
»Ich würde ja jetzt gern was trinken«, sagte Jan. »Und normalerweise würde ich uns jetzt etwas holen, aber vielleicht wäre es eine bessere Idee, wenn Phil Arbeit und das Angenehme miteinander verbinden könnte. Er hat jetzt schon häufiger herübergeschaut und ich kann die Fragezeichen in seinem Gesicht erkennen. Geh zu ihm und bestell uns was Leckeres.«
Susann strahlte. »Eine sehr gute Idee.« Sie löste sich aus ihrem Sitz und stieß sich geschickt ab. Elegant segelte sie zur Theke hinüber. Jan sah ihr nach und lächelte. Die beiden kannten sich wirklich erst eine kurze Zeit, doch wenn er das Strahlen in Phils Gesicht richtig deutete, als er seine neue Freundin auf sich zukommen sah, schien es ihm so, als würden die beiden zusammengehören. Ein kleines Bisschen versetzte es ihm einen Stich, sie über den Tresen herumturteln zu sehen, als er an Isabella dachte. Wie gern hätte er sie in diesem Augenblick angerufen, doch sie waren bereits zu weit vom Mond entfernt, um noch vom Schiff aus dort anzurufen. Was sie wohl gerade machen würde? Ob sie bereits ebenfalls auf dem Weg zur Erde war? Er würde sie auf jeden Fall anrufen, wenn er zu Hause bei seinen Eltern war.
Eine Weile beobachtete er Susann und Phil. Sie hatte völlig vergessen, dass sie eigentlich etwas zu trinken bestellen wollte. So orderte er ein Bier bei einer der Bedienungen und trank es genussvoll aus. Ohne noch einmal mit Susann zu sprechen, zog er sich zurück in die Kabine und legte sich schlafen. Der kommende Tag würde noch anstrengend genug werden.Am nächsten Morgen erklang ein kurzer Alarmton in ihrer Kabine und eine Durchsage forderte sie auf, sich zu den Shuttleschleusen zu begeben. Jan machte sich frisch und zog seinen Overall an, den er auch bei seiner Ankunft auf der Virgin 2 getragen hatte. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es Zeit wurde. Susann hatte sich noch nicht blicken lassen. Er klopfte an ihre Schlafraumtür und öffnete sie. Völlig perplex starrte er hinein. Das Bett war vollkommen unberührt. Er musste lächeln. Offenbar hatte sie ihre Entscheidung getroffen. Er griff eine kleine Tasche mit seinem Handgepäck und machte sich auf den Weg.
Die Virgin 2 war - obwohl sie stromlinienförmig gestaltet war - nicht für eine Landung auf der Erde geeignet. Von der Erde schickte man Shuttles in den Orbit, die an speziellen Schleusen des Schiffes anlegen konnten, und die den Passagieren einen komfortablen Übertritt ins Shuttle ermöglichten. Als er die Schleuse erreichte, an der sein Transfer anlegen würde, warteten dort nur wenige Menschen. Der Flug war für eine Landung auf dem Flughafen in Düsseldorf vorgesehen und es gab nur wenige Menschen an Bord, die nach Deutschland mussten. Eigentlich hatte er gedacht, dass auch Susann mit ihm fliegen würde, da Frankfurt nicht sehr weit von Düsseldorf entfernt lag, doch konnte er sie nirgends entdecken. Als bereits das Andockmanöver angekündigt war, erschien sie - eng umschlungen von Phil.
Jan winkte und sie kamen auf ihn zu.
»Ich hoffe, du bist mir nicht böse, dass ich nicht mehr in unsere Kabine zurückgekehrt bin«, sagte Susann schuldbewusst. »Es war unsere letzte Nacht an Bord.«
»Wir sind doch alle erwachsen und ich bin nicht deine Anstandsdame. Du hast deine Entscheidung getroffen und scheinst damit glücklich zu sein. Das ist doch in Ordnung.«
Sie lächelte. »Schön, dass du es so siehst.«
Phil gab Jan die Hand. »Du bist echt in Ordnung, Jan. Ich muss ja zugeben, dass ich erst etwas eifersüchtig war, weil du dir mit ihr eine Kabine geteilt hast und ihr so viel Zeit miteinander verbringen konntet. Aber Susann hat es mir erklärt. Ich wünsch dir einen guten Flug zur guten alten Erde und einen schönen Urlaub dort unten. Auch etwas, wofür ich dich beneide.«
Susann knuffte Phil. »Jetzt übertreib nicht. Du hast mir selbst gesagt, dass du demnächst einen Urlaub anmelden kannst. Ich werde nachfragen, ob du zu mir auf den Mond kommen darfst. Gönn anderen auch mal was.«
»Das tu ich doch. Ich würde mich freuen, wenn wir dort mal etwas gemeinsam unternehmen könnten.«
Die Transferschleuse öffnete sich und ein Gong ertönte. Phil küsste Susann noch einmal leidenschaftlich, bis sie auf das Shuttle wechseln mussten. Phil winkte noch einmal - dann schloss sich die Schleuse.
Auch das Shuttle, in dem sie sich jetzt befanden, unterschied sich von den Schiffen, die sie vom Mond her kannten. Nahezu der gesamte Innenraum war mit gepolsterten Liegen ausgestattet. Hier ging es nicht darum, Waren zu transportieren, sondern Menschen. Sie suchten sich eine freie Reihe und nahmen darin Platz. Susann setzte sich an ein kleines Fenster, Jan schnallte sich auf dem Sitz daneben an. Man kam sich vor, wie in einem ganz normalen Passagierjet auf der Erde. Eine Flugbegleiterin schwebte durch den Mittelgang und überprüfte den festen Sitz der Gurte. Als sie bei ihnen ankam, hob sie die Brauen. »Sind sie schon mal mit uns geflogen? Es ist selten, dass unsere Passagiere sich so professionell anschnallen.«
Jan lächelte ihr zu. »Wir kommen von der Mondakademie und machen Urlaub auf der Erde. Ich denke, wir haben uns das eine oder andere Mal schon angeschnallt.«
Die Flugbegleiterin musste lachen und setzte ihren Weg durch die Reihen fort.
Susann blickte aus dem Fenster, doch es waren im Moment nur Sterne zu sehen. »Jetzt sind wir bald wieder auf unserem Heimatplaneten. Wir atmen schlechte Luft und wiegen das Sechsfache von dem, was wir inzwischen gewohnt sind. Irgendwie weiß ich nicht, ob ich das überhaupt will.«
»Hast du denn niemanden dort unten, den du wiedersehen willst? Ich meine jetzt nicht Marko.«
Sie lachte laut auf. »Marko ist Geschichte. Ich hab gestern eine Message von ihm bekommen - nach Wochen. Er teilt mir kurz mit, dass er eine neue Freundin hat und er mit ihr in die Türkei fliegen wird. Soll er doch. Mir macht er es damit nur leichter. Aber du hast natürlich recht: Meine Eltern freuen sich riesig, ihre Tochter mal wieder bei sich zu haben, und da sind noch meine Schwester und meine beste Freundin, die ich auch lange nicht gesehen habe. Ich denke, ich werde den Urlaub schon genießen. Was wirst du machen?«
»Bei mir sind es in erster Linie auch die Eltern und Verwandtschaft. Meine Freunde von früher leben zum Teil nicht mehr in meiner alten Heimatstadt. Ich würde am liebsten das Shuttle nach Florida nehmen, wenn ich ehrlich bin. Nur kann ich das meiner Mutter nicht antun.«
»Florida?« Susann sah ihn fragend an. »Was willst du denn dort?«
»Isabellas Familie lebt jetzt dort. Es wäre ein perfekter Urlaub, wenn ich das miteinander kombinieren könnte.«
Sie lehnte sich in ihrem Sitzpolster zurück. »Weißt du? Wir werden diesen Urlaub schon genießen. Auch wenn wir unsere Freunde nicht sehen werden. Einmal keine Dienste und sich mal richtig von den Eltern verwöhnen lassen - das ist auch schon toll.«
Jan nickte und lachte. »Du hast recht. Wir klagen wirklich auf hohem Niveau.«
Susann stimmte mit ein und sie kicherten wie zwei Teenager. So bekamen sie nicht einmal mit, wie das Shuttle von der Virgin 2 ablegte und ihre Bremstriebwerke zündete, um den Landeabstieg zu beginnen. Trotz des Fensterplatzes konnten sie nicht viel von den Manövern des Piloten mitbekommen. Lediglich ein gelegentliches Ruckeln zeigte an, dass wieder eine Korrektur vorgenommen worden war. Erst als ihr Flieger Kontakt zur Atmosphäre bekam, wurde ihnen endgültig bewusst, dass es nach Hause ging. Sie wurden durchgeschüttelt, wie schon lange nicht mehr. Landungen auf dem Mond waren vergleichsweise ruhig und harmonisch, aber die Reibung der oberen Luftschichten machte den Flug nicht zu einem Genuss. Ein Blick auf die entspannte Haltung der Flugbegleiterinnen zeigte ihnen, dass offenbar alles in Ordnung war.
Allmählich stieg die Temperatur in der Kabine an, obwohl die Kühlung auf Hochtouren arbeitete und sich das Arbeitsgeräusch der Klimaanlage als hohes Singen über das Dröhnen der atmosphärischen Reibung legte.
Susann deutete nach draußen. »Schau mal. Es sieht aus, als würden unsere Flügelspitzen brennen.«
Jan blickte fasziniert nach draußen. Gesehen hatte er das in dieser Form noch nicht. »Ionisierte Gase. Sie entzünden sich durch die Reibung am Shuttle.«
Erst, als sie die unteren Luftschichten in einer Höhe von rund zehn Kilometern erreichten, wurde der Flug stabiler. Die Temperaturen sanken allmählich wieder ab und das Shuttle ging in einen gleichmäßigen Sinkflug über. Mit einem tiefen Brummen sprangen die Jet-Triebwerke an und verwandelten das Shuttle in ein normales Flugzeug, das sich in den dichten Flugverkehr Europas eingliederte. Aus dem Fenster konnten sie nun die Linie der isländischen Küste erkennen. Noch immer flogen sie mit extrem hoher Geschwindigkeit. Jan wusste, dass sie nun bevorzugt durch den Verkehr gelotst wurden, da man einem Shuttle, das aus dem Orbit anflog, keine Warteschleifen zumuten konnte. Bald hatten sie England und Frankreich überflogen - näherten sich ihrem Ziel.
Die eigentliche Landung unterschied sich nicht sonderlich von einer Flugzeuglandung, wenn man davon absah, dass die Maschine zusätzlich durch Bremsfallschirme auf der Landebahn gebremst wurde, was alle Passagiere noch einmal als heftigen Ruck zu spüren bekamen.
Als sie zum Stehen kamen, wurde ihnen erst bewusst, dass sie eine enorme Kraft aufwenden mussten, um sich zu bewegen.
»Ich fühl mich, als hätten sie mir Sandsäcke umgebunden«, sagte Susann.
»Mir geht es genauso. Kaum vorstellbar, dass wir jahrelang in dieser Schwerkraft gelebt haben und das auch noch gut gefunden haben. Ich fürchte, die erste Urlaubswoche wird für Training draufgehen, um wieder fit zu werden.«
Als sie die Gangway hinabliefen, traf sie die Mittagssonne eines warmen Sommertages. Auch das waren sie nicht mehr gewohnt und ihnen brach unvermittelt der Schweiß aus. Ihre Mondkonstitution machte es auch nicht leichter und sie fühlten sich rasch etwas kurzatmig. Sie blickten sich an und lachten. »Wir müssen es ruhig angehen lassen. Vielleicht sollten wir uns gegenseitig stützen.«
Sie sah ihn skeptisch an. »Wie sieht das denn wohl aus?«
»Das ist mir scheißegal, weißt du? Wir sind Raumfahrer und müssen zusammenhalten.«
Grinsend hängte sich Susann bei ihm ein und langsam liefen sie auf das Abfertigungsgebäude zu, in dem - so hoffte Jan - seine Eltern ihn erwarten würden. Kontrollen, wie man sie bei Flugreisen sonst kannte, gab es hier nicht. Sie warteten noch auf ihr Gepäck und zogen es hinter sich her durch die Absperrung in den öffentlichen Teil des Flughafens. Schon von Weitem sah Jan seine Mutter winken.
»Da hinten sind meine Eltern. Hast du deine schon gesehen?«
Susann schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich kenn meinen Vater. Er fährt gern viel zu spät los. Vermutlich werde ich hier noch warten müssen, bevor sie eintreffen.«
»Das ist ja blöd. Komm erst mal mit mir. Vielleicht können meine Eltern ja deine mit dem Handy anrufen.«
Sie schritten langsam auf Jans Eltern zu, die ihnen lächelnd entgegenkamen. Jan ließ Susann los und umarmte erst seine Mutter, dann auch seinen Vater. Susann stand etwas abseits und betrachtete die Wiedersehensszene lächelnd. Jans Mutter bemerkte als Erste, dass sie beobachtet wurden.
»Und wer ist die junge Dame?«, fragte sie. »Willst du sie uns nicht vorstellen? Du hast uns schon viel über deine Freundin berichtet. Es wird ja auch Zeit, dass wir sie mal kennenlernen.«
Susann und Jan winkten ab. »Wir sind nicht zusammen«, sagten sie wie aus einem Munde. Sie gab Jans Eltern die Hand. »Ich bin Susann Glienek und wir sind beide Studenten an der Akademie. Zufällig bin ich auch aus Deutschland und daher sind wir zusammen gereist. Eigentlich sollte ich auch hier abgeholt werden. Meine Eltern kommen sicherlich auch gleich.«
»Ach so«, sagte Jans Mutter. »Ich dachte schon ... Dann sind sie eine Kommilitonin, wie man so sagt. Und sie sind sicher, dass ihre Eltern kommen werden? Wir können ihnen noch etwas Gesellschaft leisten, damit sie nicht so allein sind.«
»Das ist nicht nötig. Mein Vater verspätet sich immer. Es hätte mich gewundert, wenn meine Eltern schon hier gewesen wären. Fahren sie ruhig. Ich werde mich drüben ins Café setzen und etwas trinken.«
»Bist du sicher?«, fragte Jan.
Sie nickte. »Aber klar. Ich bin ein großes Mädchen.« Sie umarmte Jan und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Schöne Ferien, Jan. Wir sehen uns auf dem Mond, okay?«
Sie griff ihren Koffer und zog ihn hinter sich her. Jan blickte ihr nach, bis sie im Café verschwunden war.
»Ein sehr nettes Mädchen«, konstatierte sein Vater. »Ist deine Freundin auch so nett?«
»Oh ja«, sagte Jan. »Das ist sie, aber für mich ist sie mehr als nur nett. Beim nächsten Mal hoffe ich, sie euch vorstellen zu können.«
Er griff seinen Koffer. »Sollen wir?«