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2. Die Abreise
2.1 Homer-Connection - Teil 1/3
Der Tag der offiziellen Aufnahme der »Neuen«, in die UNO-Raumakademie rückte unaufhaltsam näher und die Aufregung unter den sieben Studenten wurde langsam größer. Die Leitung der Akademie hatte den betroffenen Eltern eine Einladung zukommen lassen, die auch einen Transfer nach Florida und eine komfortable Unterbringung auf dem Gelände der NASA beinhaltete. Das ließ sich auch niemand zweimal sagen. Die meisten der Eltern waren bereits zwei Tage nach der Einladung in Florida, um ihre Kinder noch einmal zu sehen, die danach für eine längere Zeit die Erde verlassen würden.
Jan stand im Flughafengebäude des Airports von Fort Lauderdale, bekleidet mit einer blauen NASA-Kombination, die er nach seiner Feier erhalten hatte, und wartete auf die Maschine aus New York, die seine Eltern nach Florida bringen sollte. Etwas aufgeregt war er schon, denn er hatte sie schon seit Wochen nicht mehr gesehen und sie waren noch nie in Amerika gewesen. Er hatte es sich daher nicht nehmen lassen, sie persönlich in Fort Lauderdale abzuholen und sie die 180 Meilen bis Merrit Island zu fahren, wo die Unterkünfte der Angehörigen der neuen Studenten bereits vorbereitet waren. Jan hatte zunächst gedacht, dass es ein Problem sein könnte, ein Auto zu bekommen, denn sein Geld, das er aus Deutschland mitgebracht hatte, war fast aufgebraucht. Umso erfreuter war er, als ihm die UNO selbst einen Mietwagen vor die Tür gestellt hatte. Die meisten seiner Kollegen hatten es nicht so kompliziert, da die meisten Fluggesellschaften direkt Orlando anflogen. Leider war es so kurzfristig nicht gelungen, seinen Eltern einen solchen Flug zu buchen. Sie hatten von Düsseldorf aus über New York fliegen müssen.
Er blickte auf die Uhr. Jeden Moment musste die Maschine landen.
Kurz darauf war es so weit, doch dauerte es noch eine Weile, bis die Einreiseformalitäten erledigt waren. Endlich kamen sie erschöpft, aber lachend aus dem Zollbereich und schoben einen hoch vollen Gepäckwagen vor sich her. Jans Mutter winkte fröhlich, als sie ihn im Wartebereich entdeckte.
Jan eilte auf sie zu und schloss sie in seine Arme. »Willkommen in Florida! Ich bin so froh, Euch hier zu sehen. Wie war die Reise?«
»Schlimm«, meinte sein Vater nur und drückte ihn kurz an sich. »Wir mussten stundenlang in New York auf den Anschlussflug warten.«
Seine Mutter winkte ab. »Übertreib nicht, Paul. Aber dein Vater hat schon recht. Solche langen Reisen sind einfach nichts für uns. Außerdem ist unser Englisch doch arg eingerostet.«
»Ich find es eigentlich nicht schlecht, dass wir mal gezwungen sind, die alten Kenntnisse aufzufrischen«, meinte Jans Vater.
»Aber jetzt seid Ihr ja da«, meinte Jan. »Ich bin Euer Abholkomitee. Wir müssen leider noch ein ganzes Stück mit dem Auto fahren.«
»Du hast dir extra ein Auto gemietet, nur um uns abzuholen?«, fragte seine Mutter. »Das wäre doch nicht notwendig gewesen. Wir hätten auch mit dem Bus fahren können.«
Jan musste lachen. »Mutter, wir sind hier in Amerika. Es ist nicht wie zu Hause in Herne, wo an jeder Ecke ein Bus hält. Aber keine Sorge: Den Wagen habe ich von der UNO bekommen. Ich musste ihn nicht bezahlen.«
Beruhigt stellte sie sich hinter den Gepäckwagen, doch Jan schob sie beiseite. »Ich werde dich sicher nicht den schweren Gepäck-Caddy schieben lassen. Folgt mir einfach.«
Als sie das Gebäude verließen, traf sie die volle Hitze des Sommers in Florida.
»Wir sollten uns beeilen. Im Auto haben wir eine Klimaanlage.« Jan steuerte auf einen roten Dodge Durango zu, der sie blinkend begrüßte, als Jan den Öffnungsmechanismus ausgelöst hatte.
»Wir fahren mit diesem Ding?«, fragte Paul Lückert. »Mein Gott, Junge, die müssen aber Vertrauen zu dir haben.«
»Diese Wagen haben sie auf dem Gelände ständig im Einsatz. Ich glaube kaum, dass es mit besonderem Vertrauen zu tun hat. Er war halt frei.«
Er lud das Gepäck in den Kofferraum und sie fuhren los. Jan war froh, dass der Dodge über ein Navigationssystem verfügte, da er sich sonst nur schwer zurechtgefunden hätte.
Eine Zeit lang blickten seine Eltern nur aus den Fenstern und betrachten staunend das Treiben auf den ungewohnt breiten Straßen. Schließlich betrachtete Maria Lückert ihren Sohn von der Seite.
»Junge, ich muss gestehen, dass du gut aussiehst in deiner Kombination, auch wenn ich mich noch immer nicht daran gewöhnen kann, dass du unseren Planeten verlassen wirst. Aber ich habe verstanden, dass es dein Traum ist und wir wollen dir ganz sicher nicht das Leben schwer machen. Dein Vater und ich haben uns lange darüber unterhalten und sind uns einig, dass wir uns Deinem Traum nicht entgegen stellen werden. Sei nur bitte besonders vorsichtig – das musst du uns versprechen.«
»Natürlich werde ich vorsichtig sein«, sagte Jan und sah sie kurz an. »Ich verspreche auch, dass ich euch - so oft es geht - besuchen werde. Allerdings werden möglicherweise immer einige Monate dazwischen liegen. Das muss euch klar sein. Aber es gibt eine Funkverbindung zum Mond und auch Email. Wir bleiben auf jeden Fall in Kontakt.«
Maria wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und lachte. »Ach Jan, dein Vater und ich sind so verdammt stolz auf dich! Wir hatten niemals geglaubt, dass du das schaffen würdest.«
Jan warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu. »Na, ihr seid ja wirklich überzeugt von meinen Fähigkeiten.«
Sie legte ihm leicht eine Hand auf den Arm. »Das darfst du nicht falsch verstehen. Es waren doch so viele Bewerber und ... es war einfach so unwahrscheinlich. Ich geb es zu, ich hatte auch immer noch gehofft, du kommst irgendwann nach Hause zurück und studierst in Bochum, Dortmund oder Essen.«
Paul legte von hinten einen Arm um die Schultern seiner Frau. »Tja Schatz, unser Junge wird erwachsen. Daran werden wir uns gewöhnen müssen. Kannst du uns denn schon verraten, wie es jetzt weitergehen wird?«
»In etwa wird es so aussehen, dass man eine Feier für den kommenden Samstag plant, bei der man uns offiziell in die Akademie aufnehmen und uns die Urkunden überreichen wird. Danach werden wir noch lange gemeinsam feiern – sogar die Bewerber, die nur einen Vertrag für die Bodenstationen erhalten, haben angekündigt, dass sie mitfeiern wollen. Ich denke, es wird sicher sehr lustig. Ihr werdet meine Kollegen und auch deren Eltern kennenlernen. Danach allerdings wird es ernst. Wie ich gehört habe, sollen wir schon zwei Tage später mit der neuen Fähre ›Moonshuttle-1‹ zum Mare Nubium fliegen.«
»So bald schon?«
»Die Ausbildung beginnt in wenigen Tagen und dann müssen wir vor Ort sein.«
»Ach, ehe ich es vergesse«, sagte Maria. »Ich soll dich von Anna grüßen.«
»Von Anna?«, wunderte sich Jan. »Was hast du mit Anna zu schaffen?«
»Ich hab sie im Supermarkt getroffen und sie hat sich nach dir erkundigt. Sie ist so ein nettes Mädchen. Ich habe nie verstanden ...«
»Mutter! Ich bin ein paar Mal mit ihr ausgegangen. Wir waren nicht zusammen. Ich weiß, dass sie es gewollt hätte, aber dazu gehören immer zwei.«
»Ich fand sie nett«, beharrte Maria. »Ich finde, ein Junge in deinem Alter sollte eine Freundin haben. Und jetzt fliegst du auch noch auf den Mond ...«
Jan musste grinsen, sagte jedoch nichts.
In diesem Moment klingelte Jans Handy.
»Wer ruft dich denn hier an?«, fragte Maria.
Jan blickte auf das Display und lächelte. Isabella meldete sich bei ihm. Er klappte sein Telefon auf und warf seinen Eltern einen entschuldigenden Blick zu.
»Wie geht es dir?«, fragte er. »Weißt du schon, ob deine Eltern kommen? Nein? Sie kommen ganz bestimmt, da bin ich sicher. Wo bist du im Moment? Ich bin im Moment mit meinen Eltern im Auto unterwegs. Ich hab sie vorhin in Lauderdale abgeholt. In spätestens zwei Stunden bin ich auf dem Gelände – Bungalow 19. Wenn du gerade in der Nähe bist, schau doch kurz dort vorbei – ich würde mich freuen. Gut – dann bis gleich.«
Er legte wieder auf.
»Ein Kommilitone von dir?«, fragte Paul Lückert.
»Ja«, sagte Jan knapp und bemühte sich darum, sein Lächeln unter Kontrolle zu bekommen. »Es macht Euch doch nichts aus, wenn nachher noch kurz jemand vorbeischaut, oder?«
Maria machte ein enttäuschtes Gesicht. »Ich dachte, der Abend würde uns gehören.«
»Ich denke, das wird er auch, aber mir wäre es halt sehr wichtig.«
Isabella hatte sich in den vergangenen Tagen etwas rargemacht. Es machte ihr doch sehr zu schaffen, dass es noch immer unklar war, ob ihre Eltern zu ihrer Abschlussfeier kommen würden. Es war ja nicht so, dass sie nicht kommen wollten. Es war vielmehr so, dass die rumänische Regierung die Hoffnung noch nicht aufgegeben hatte, Isabella als Agentin missbrauchen zu können. Sie benutzte ihre Eltern als Druckmittel, um ihre Forderungen durchzusetzen. Endlich wurde sie wieder zugänglicher und hatte Kontakt zu Jan aufgenommen. Jan hatte es sehr traurig gemacht, dass sie sich von ihm und den anderen zurückgezogen hatte. Er hätte sie gern getröstet, doch sie hatte es vorgezogen, allein mit ihren Sorgen fertig zu werden. Umso mehr freute er sich darüber, dass die Initiative von ihr ausging.
Knapp zwei Stunden später trafen sie am Bungalow 19 der Anlage für Gäste der NASA ein. Jan trug das Gepäck ins Haus und seine Eltern liefen neugierig hinterher.
Es handelte sich um einen flachen Bau ohne Keller, der jedoch eine beachtliche Wohnfläche aufwies. Die Räume waren sehr groß und es war alles vorhanden, was man brauchte. Das Haus war klimatisiert, was in diesen Breiten oft notwendig war. Jans Eltern staunten nicht schlecht über den Komfort, den man ihnen hier gönnte. Maria inspizierte sogleich die Küche und stellte mit Bedauern fest, dass es keinen deutschen Kaffee gab.
»Ein paar Tage werdet Ihr es sicherlich auch ohne deutsche Nahrung aushalten«, meinte Jan zuversichtlich.
Sie machten es sich in der bequemen Ledercouch im Wohnzimmer bequem und Jan wollte eben beginnen, von seinen Prüfungen zu erzählen, als es an der Haustür klingelte.
Das wird dein Kollege sein«, vermutete Jans Mutter. »ich hoffe, du wirst uns jetzt nicht verlassen müssen.«
Jan lächelte sie an. »Nein Mutter, das denke ich nicht.«
Als er die Eingangstür öffnete, stand Isabella – ebenfalls in eine der Akademiekombinationen gekleidet – vor ihm und sah ihn abwartend an. Er sah es ihr an, dass sie hoffte, er würde ihr ihren Rückzug nicht übel nehmen. Selbst, wenn er vorgehabt hätte, sie deswegen zur Rede zu stellen - allein durch ihr Erscheinen waren die Schmetterlinge wieder da, die stets da waren, wenn sie zusammen waren.
Jan fand, dass sie einfach toll aussah, wie sie da so vor ihm stand. Er spürte, wie ihm das Herz bis zum Hals schlug und er einen dicken Kloß im Hals hatte.
»Schön, dass du wieder da bist«, sagte er. »ich habe dich vermisst.«
Das war zu viel für Isabella und sie warf sich ihm in die Arme, die er fest um sie legte. Er spürte, dass sie am ganzen Körper zitterte.
»Sie kommen ganz bestimmt«, sagte er leise.
Sie sah zu ihm hoch und flüsterte: »Ich hätte niemals gedacht, dass mich das so ungeheuer mitnehmen würde. Ich habe Angst um meine Eltern. Es gibt noch mehr Leute wie Gheorghe Papu.«
»Homer Sherman ist ein Mann, der alles Menschenmögliche versuchen wird. Wir sollten ihm vertrauen.«
»Ich möchte es ja glauben, Jan.«
Sie legte ihren Kopf wieder an seine Schulter. Allmählich spürte er, wie ihre Atmung gleichmäßiger wurde und sich ihre Nerven beruhigten.
»Meinst du, wir können hineingehen?«, fragte Jan vorsichtig.
»Du meinst, ich soll reinkommen?«, fragte sie. »Ich dachte, du wolltest mit Deinen Eltern allein sein.«
Jan küsste sie leicht auf die Stirn.
»Im Gegenteil, Isabella. Ich würde dich ihnen liebend gern vorstellen«,
Jans Eltern waren sichtlich überrascht, als ihr Sohn mit einem großen, bildhübschen Mädchen an seiner Seite zurückkehrte.
»Mutter, Vater«, sagte Jan. »ich möchte euch Isabella vorstellen. Sie ist meine Kommilitonin und Freundin. Isabella, das sind meine Eltern.«
Isabella trat auf Maria und Paul Lückert zu und gab ihnen die Hand. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen.«
»Oh, die Freude ist ganz auf unserer Seite«, beeilte sich Paul zu versichern. »Meine Frau und ich hatten bereits Befürchtungen, Jan würde uns nie eine Freundin vorstellen.«
Isabella musste lachen, als sie das hörte, und warf Jan, dem das Thema unangenehm war, einen Seitenblick zu.
»Du hattest noch keine Freundin?«, fragte sie ihn.
»Na ja, jedenfalls nichts Festes«, meinte er. »ich hatte eben noch kein Mädchen getroffen, das zu mir gepasst hätte.«
»Und Isabella passt?«, fragte Paul augenzwinkernd.
»Das versuchen wir gerade festzustellen«, mischte sich Isabella ein. »im Moment haben wir das Gefühl, dass es passen könnte.«
Sie lehnte sich an Jan, der seinen Arm um sie legte und dabei seine Mutter anblickte, die nachdenklich zu ihnen hinübersah. Er kannte sie gut genug, um zu erkennen, dass ein leichter Ausdruck von Eifersucht in ihrem Blick lag. So sehr sie auch immer stichelte, dass er noch keine Freundin hatte, so schwer fiel es ihr nun offenbar, zu sehen, dass es nun jemanden in seinem Leben gab, der wichtiger war, als die Eltern. Er war sich jedoch sicher, dass seine Mutter sich an diesen Gedanken gewöhnen und feststellen würde, dass Isabella eine sehr liebenswerte Frau war.
»Isabella fühlt sich zurzeit nicht besonders«, erklärte Jan. »sie weiß nicht, ob ihre Eltern auch zur Abschlussfeier kommen.«
»Aber sie haben doch sicherlich auch eine Einladung erhalten, oder?«, fragte Paul.
»Ja, das schon«, sagte Isabella. »aber Sie müssen wissen, ich stamme aus Rumänien. Mein Land ist mittlerweile auf dem Papier eine Demokratie, aber tatsächlich läuft es genau so, wie schon vor vielen Jahren. Noch immer beherrscht die Regierung das Land in erster Linie durch seine Geheimdienste. Mir hatte man einen Geheimdienstagenten mitgeschickt, der mich von allen Kontakten zu den anderen Bewerbern abgeschirmt hat. Meine Eltern werden als Druckmittel gegen mich verwendet. Ich soll für die rumänische Regierung spionieren, wenn ich einen Platz in der Mondakademie erhalte.«
»Und wo ist dieser Geheimdienstagent jetzt?«, wollte Paul wissen.
»Das ist Jans Verdienst«, sagte Isabella lächelnd. »er ging dazwischen, als mich Gheorghe Papu – der Agent – mitnehmen wollte, als man ihm nicht gestatten wollte, mich in das Vorbereitungshaus zu begleiten. Papu hat Jan zusammengeschlagen und der Sicherheitsdienst hat den Kerl dann entfernt.«
»Jan!«, entfuhr es Maria. »Du hast dich geprügelt?«
»Mutter, ich konnte nicht zulassen, dass dieser Mann Isabella mitnimmt. Außerdem habe ich mich nicht geprügelt, sondern wurde verprügelt. Das ist schon ein Unterschied.«
»Dann sind Sie mit meinem Sohn sicher sehr dankbar?«, fragte Maria.
Jan hatte das Gefühl, dass hier etwas in eine Richtung lief, die ihm nicht gefiel. »Wie meinst du das? Willst du damit sagen, Isabella ist mir gegenüber nur dankbar?«
»Man liest so einiges über solche Fälle.«
»Mutter!«, rief Jan entrüstet. »Wie kannst du Isabella so etwas unterstellen? Was soll sie von uns denken?«
Isabella hob die Hand. Ihr Gesicht bekam einen sehr entschlossenen Eindruck.
»Frau Lückert, ich kann nur hoffen, dass ich Sie jetzt falsch verstanden habe. Sie wollen mir doch nicht unterstellen, dass ich aus reiner Dankbarkeit mit ihrem Sohn zusammen bin, oder? Sollte das so sein, wäre es besser, wenn ich jetzt gehe.«
Paul erhob sich. »Nein, bitte gehen Sie nicht. Meine Frau hat es ganz sicher nicht so gemeint.«
»Ich würde es gern von ihr selbst hören, wenn Sie gestatten.«
Maria hatte erschreckt eine Hand vor ihren Mund geschlagen. »Entschuldigen Sie, Isabella. Es war nicht meine Absicht, Ihnen etwas zu unterstellen. Verzeihen Sie meine Frage. Ich weiß gar nicht, was in mich gefahren ist. Es ist nur ...«
»Frau Lückert, ich verstehe, dass Sie sich um Ihren Sohn Sorgen machen. Ich verstehe auch, dass Mütter und Söhne ein besonderes Verhältnis zueinander haben. Aber ich kann ihnen versichern, dass sich schon vor diesem Ereignis etwas zwischen uns entwickelt hatte, ohne dass wir beide es bewusst gemerkt haben. Meinen Sie, Jan wäre sonst auf die Idee gekommen, sich mit einem Mann wie Gheorghe Papu anzulegen – nur um mir zu helfen?«
Maria war anzusehen, dass ihr ihre Frage ungemein peinlich war. »Mir tut es wirklich leid.«
Isabella winkte ab. »Schon in Ordnung, Frau Lückert. Ich weiß jetzt, dass Sie es nicht so gemeint haben. Wahrscheinlich habe ich auch zu empfindlich reagiert. Was halten Sie davon, wenn wir noch einmal von vorn beginnen?« Sie hielt Maria ihre Hand hin.
Nach kurzem Zögern griff Jans Mutter zu und schüttelte sie. Dabei begann sie zu lächeln.
Jan grinste nun ebenfalls. »Es ist wirklich toll, zu beobachten, wie Ihr Euch zusammenrauft.
»Ihr seid also zusammen, ja?«, fragte Jans Vater. »Dann haben wir also jetzt quasi eine Tochter dazubekommen, könnte man sagen. Nicht wahr?«
»Vater, jetzt überstürz bitte nicht alles und lass uns einfach selbst herausfinden, wie es mit uns weitergeht. Oder habt ihr beide etwa eine Woche, nachdem ihr euch kennengelernt hattet, bereits geheiratet?«
Paul schüttelte den Kopf. »Das sicher nicht. Aber Isabella ist in Ordnung. Wer meiner Frau gleich beim ersten Mal den Kopf zurechtrückt, hat bei mir einen Stein im Brett.«
»Paul!«, rief Maria entrüstet, doch Paul lachte, bis ihm die Tränen kamen und die anderen in sein Lachen mit einstimmten.
»Sie gehen ebenfalls auf die Akademie?«, fragte er, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. »Oder gehören Sie zu den Bewerbern, die eine Stelle für die Bodenstationen bekommen haben?«
»Nein, ich werde auch auf den Mond fliegen und dort mit Jan gemeinsam studieren.«
In diesem Moment klingelte Isabellas Handy.
»Entschuldigen Sie einen Moment«, sagte sie und nahm das Gespräch an. »Ja? Hier Grimadiu.«
Isabellas Miene wirkte für einen Augenblick sehr konzentriert, dann hellte sie sich auf.
»Wirklich?«, fragte sie ins Telefon. »Ich kann es gar nicht glauben, Mr. Sherman. Sie ahnen nicht, wie dankbar ich Ihnen bin.«
Nachdem sie aufgelegt hatte, merkte sie, dass alle sie erwartungsvoll ansahen.
»Was war?«, wollte Jan wissen.
»Sie kommen«, sagte Isabella. »Meine Eltern werden kommen. Homer hat es mir eben bestätigt. Er will mich gleich sprechen.«
»Das ist ja wunderbar!«, rief Jan aus und umarmte Isabella.
»Begleitest du mich zu Homer?«, wollte sie wissen. »Er will mich sofort sehen.«
Jan blickte seine Mutter an.
»Würdet ihr ...«
»Los, verschwindet schon!«, sagte Maria.
»Wir kommen nachher noch einmal vorbei!«, rief Jan noch, bevor Isabella ihn an der Hand aus dem Haus zog.
»Was hat Homer denn gesagt?«, wollte Jan wissen.
»Er hat gemeint, er habe ein paar Beziehungen spielen lassen. Ich weiß nur, dass meine Eltern kommen. Mehr hat er mir noch nicht gesagt.«
Sie liefen den Weg zu einer der Hauptstraßen des NASA-Geländes hinunter, wo sie die Chance hatten, dass einer der betriebseigenen Busse sie mitnehmen konnte. Im Eifer des Gefechts dachte Jan nicht mehr an den Dodge, der noch immer vor dem Pavillon seiner Eltern stand. Homer Shermans Büro befand sich in einem Verwaltungsgebäude, das einige Kilometer entfernt am Rand des Geländes lag, und dass man nach Gründung der Mond-Akademie der UNO überlassen hatte.
Nach wenigen Minuten hatten sie die Hauptstraße erreicht, wo sie sich einigen NASA-Mitarbeitern anschlossen, die in einem Unterstand auf den nächsten Werksbus warteten, der kurz darauf bei ihnen hielt.
Zehn Minuten später waren sie am Ziel und betraten das kleine UNO-Gebäude. Isabella war ganz aufgeregt, als sie die Stufen zu Homer Shermans Büro hinaufstiegen. Homer empfing sie freundlich und bat ihnen etwas zu trinken an.