2. Die Abreise

 

2.1 Homer-Connection - Teil 3/3

»Wie bitte? Wohin müssen wir gehen?«, fragte sie. »Wir haben uns noch so viel zu erzählen.«
Giurescu trat von der anderen Seite hinzu und zog Roman Grimadiu und seine Frau sanft von Isabella weg.
»Sie werden noch während der Abschiedsfeier Gelegenheit erhalten, miteinander zu sprechen«, sagte er.
Isabella schien vollkommen sprachlos zu sein. Sie blickte sich zu Greg Haunter um. »Unternehmen Sie doch etwas! Sie können doch nicht zulassen, dass sie meine Eltern wegbringen!«
Greg zog Isabella beiseite, während die anderen Sicherheitsleute einen Kordon um sie bildeten. »Isabella hören Sie mir zu. Wir haben keine rechtliche Handhabe, Ihnen zu verwehren, ihre Eltern mitzunehmen. Wir haben aber die Zusage, dass Sie während der Abschiedsfeier Gelegenheit bekommen, mit Ihnen zu sprechen.«
»Was soll mir das dann noch bringen?«, fragte Isabella verzweifelt. »Danach fliege ich auf den Mond und sehe sie vielleicht nie wieder.«
Traurig sah sie zu, wie ihre Eltern zusammen mit Carol Giurescu in eine Limousine mit getönten Scheiben einstiegen. Die übrigen rumänischen Sicherheitskräfte verteilten sich auf drei weitere bereitstehende Wagen. Kurz darauf setzte sich der Konvoi in Bewegung und fuhr davon.
Jan kam angelaufen und legte einen Arm um Isabella. »Wohin werden sie gebracht?«
»Wir haben eine der größeren Unterkünfte für die rumänische Gruppe herrichten lassen – in der grünen Zone«, sagte Greg.
In diesem Moment klingelte sein Mobiltelefon. »Oh, es ist Homer Sherman. Entschuldigt mich einen Augenblick.« Er trat ein Stück beiseite.
Sie versuchten, mitzubekommen, was gesprochen wurde, doch Greg redete zu leise. Erst, als er das Gespräch beendete, hörten sie, wie er fragte: »Und du bist dir sicher, dass das funktionieren wird? Ich frage mich manchmal, wie du so etwas ohne mein Wissen organisiert bekommst.«
Er steckte sein Telefon weg und kam zurück. Er sah Jan und Isabella abwesend an und blickte dann auf seine Armbanduhr.
Er griff zu seinem Funksprechgerät am Gürtel und sprach hinein: »Sie sind unterwegs. Schickt nun den Transport auf die Reise.«
»Was ist hier eigentlich los?«, wollte Jan wissen und auch Isabella sah Greg misstrauisch an.
»Stellt mir jetzt bitte keine Fragen!«, sagte Greg laut. »Ihr werdet heute Abend alles erfahren.«
»Aber Sie können uns doch nicht ...«
Er wandte sich ab und ließ die beiden einfach stehen. Jan und Isabella sahen sich ratlos an.
»Manchmal denke ich, ich sollte alles hinschmeißen und nach Hause fahren«, sagte Isabella.
»So darfst du nicht denken, Isa. Es würde weder für dich persönlich noch für deine Familie besser sein, wenn du jetzt aufgibst. Außerdem – was soll dann aus uns werden?«
»Ich weiß ja«, meinte Isabella und lehnte sich an Jans Schulter.
Der Konvoi mit der rumänischen Delegation bewegte sich gemächlich über das weite Gelände der NASA. Auch die Agenten des rumänischen Sicherheitsdienstes konnten sich der Faszination der gigantischen Bauwerke der Montagehallen und Prüfstände nicht entziehen. Ileana und Roman Grimadiu hatten sich bereits resignierend in ihr Schicksal gefügt. Allerdings fanden sie die Hektik ihres Bewachers Giurescu schon etwas merkwürdig. Ständig blickte er sich nach allen Seiten um und sah pausenlos auf seine Armbanduhr. Sie kreuzten gerade eine ausgedehnte Gleisanlage, als plötzlich einige NASA-Mitarbeiter mit roten Fahnen die Durchfahrt für den Konvoi sperrten.
Das Fahrzeug mit den Grimadius befand sich als einziges Fahrzeug bereits hinter der Absperrung.
»Bitte halten Sie an!«, befahl Carol Giurescu dem amerikanischen Fahrer, der sofort den Wagen stoppte. »Der Konvoi soll auf Sichtweite zusammenbleiben«
Hinter ihnen waren einige Männer bereits aus ihren Autos ausgestiegen und gestikulierten wild mit den Armen, weil die NASA-Leute sie nicht passieren lassen wollten. Sie deuteten auf eine riesige Transportplattform, die - von mehreren schweren Loks gezogen - ihren Weg kreuzte. Die Agenten beruhigten sich erst, als sie zwischen den Zugmaschinen hindurch erkennen konnten, dass das Führungsfahrzeug mit ihrem Vorgesetzten und den Grimadius auf sie wartete.
Im ersten Fahrzeug wandte sich Carol Giurescu nun den Eheleuten Grimadiu zu. »Es wird etwa drei Minuten dauern, bis der Schwertransport unseren Standort passiert hat. Wir haben somit nicht viel Zeit. Hören Sie mir bitte gut zu und stellen Sie jetzt keine Fragen. Vor wenigen Augenblicken wurden Ihre Kinder in Bukarest von Agenten des CIA entführt. Es geht ihnen gut. Sie befinden sich zurzeit an Bord eines Hubschraubers, der sie über die Grenze nach Bulgarien bringen wird. Von dort erfolgt der Weitertransport zu Ihnen, hierher nach Florida.«
Roman Grimadiu wollte eine Frage stellen, wurde aber durch eine sehr bestimmende Geste Giurescus unterbrochen. »Keine Fragen jetzt! Dazu ist später noch genug Gelegenheit. Verlassen Sie diesen Wagen auf der rechten Seite und halten den Kopf unten, damit man Sie nicht von der anderen Seite durch Zufall sehen kann. Steigen Sie dann zügig in den Wagen, der gleich neben uns halten wird.«
Ein Kleintransporter hielt in diesem Moment neben der Limousine.
»Ich verstehe nicht, was ...«, stammelte Ileana Grimadiu, wurde jedoch sofort von Giurescu unterbrochen:
»Keine Fragen! Der Wagen ist da. Steigen Sie jetzt aus – wie ich es Ihnen gesagt habe. Den Kopf unten halten, bis Sie hinter dem Transporter sind. Dann klettern Sie hinten in den Laderaum.«
»Ich weiß nicht, was Sie jetzt wieder mit uns vorhaben, Giurescu«, sagte Roman. »Aber ich werde Ihnen keine Gelegenheit geben, uns noch Republikflucht oder Ähnliches vorzuwerfen.«
»Wenn Sie Ihre Tochter wiedersehen wollen, steigen Sie jetzt aus!«, zischte Giurescu ihn an. »Tun Sie verdammt noch mal, was ich Ihnen gesagt habe! Für Antworten ist später noch Zeit genug – aber jetzt ist die Zeit zum Handeln!«
Giurescu griff an ihm vorbei und öffnete die Seitentür der Limousine. Dann schob er die beiden in die Hitze des sommerlichen Floridas hinaus. Hinter ihnen fuhr noch immer der riesige Transportzug vorbei und entzog sie den Blicken der etwas ratlosen Agenten in den folgenden Fahrzeugen. Die Eheleute verließen vollkommen irritiert den Wagen und taten, was Giurescu ihnen befohlen hatte. Sie hatten keine Ahnung, welche Teufelei ihnen nun wieder drohte. Zuerst ließ man sie nicht zu ihrer Tochter, dann entzog man ihnen die übrigen Kinder und stellte sie unter eine lückenlose Bewachung durch Geheimdienstleute, und nun warf man sie einfach aus dem Auto.
In geduckter Haltung liefen sie zum Heck des Transporters und stellten überrascht fest, dass die Tür zur Ladefläche offen stand. Ein Mann und eine Frau entstiegen dem Wagen. Ileana und Roman starrten die beiden entgeistert an. Sie glaubten, in einen Spiegel zu blicken. Sie sahen exakt so aus, wie sie selbst – sie trugen sogar dieselbe  Kleidung. Noch bevor sich Isabellas Eltern von der Überraschung erholt hatten, sagte der fremde Roman lächelnd in fließendem Rumänisch: »Bitte nehmen Sie im Wagen Platz. Wir werden nun Ihre Rollen in dem Spiel übernehmen. Seien Sie ganz entspannt – Sie werden bald Ihre Tochter sprechen können.«
»Aber ... das gibt es doch gar nicht«, entfuhr es Roman und er wollte noch etwas fragen, wurde aber von seinem Doppelgänger unterbrochen. »Sie werden alles erfahren, aber jetzt müssen Sie in diesen Wagen einsteigen. Überlassen Sie uns ihre Bewacher.«
»Aber wieso sehen Sie uns so ähnlich?«
Der Mann lächelte. »Vom Typ her sind wir uns ähnlich, aber glauben Sie mir, wir besitzen sehr gute Maskenbildner. Und nun machen Sie, dass Sie in den Transporter kommen.«
Die beiden Fremden liefen zur Limousine und setzten sich auf die Plätze, auf denen vorher sie gesessen hatten. Ileana und Roman wurden jedoch in ihrer Beobachtung unterbrochen, als eine Frau aus dem Inneren des Transporters sie ansprach: »Bitte steigen Sie nun ein. Die Zeit wird langsam knapp. Der Transport draußen ist fast vorübergezogen.«
Die Grimadius stiegen ein und ließen sich auf die breite, gepolsterte Bank fallen, die an der rechten Seitenwand der Ladefläche angebracht war. Die Frau schloss die Heckklappe und nahm ihnen gegenüber Platz. Sie hatte mittellange braune Haare, die sie im Nacken mit einem Band zusammengebunden hatte. Durch ihren grauen Overall mit NASA-Abzeichen wurde deutlich, dass sie sich nicht mehr in der Obhut der rumänischen Sicherheitsbehörden befanden.
»Mein Name ist Nina Schultz«, stellte sie sich vor. »Sie müssen entschuldigen, aber ich spreche Ihre Sprache nicht sehr gut. Ich nehme an, dass Sie einige Fragen haben.«
Der Transporter setzte sich langsam in Bewegung, doch konnte man wegen der fehlenden Fenster nicht erkennen, wohin die Fahrt ging.

Als der Zug endlich vorbeigefahren und die Straße wieder freigegeben war, setzte sich der Konvoi sofort wieder in Bewegung und hielt noch einmal neben der Limousine Giurescus, der die Seitenscheibe hinabfahren ließ und seinen Kollegen kurz andeutete, dass alles in Ordnung war. Der Konvoi setzte sich wieder in Bewegung und fuhr zur vorbereiteten Unterkunft der Delegation.

»Und ob wir Fragen haben!«, rief Roman. »Was geht hier eigentlich vor? Wo fahren wir hin? Und was waren das für Leute?«
»Zunächst einmal möchte ich mich dafür entschuldigen, dass wir Sie in Unwissenheit gelassen haben«, sagte Nina. »Wir hielten es für besser, wenn Sie selbst keine Ahnung haben, was geschehen würde. Sie erinnern sich noch daran, dass Sie jemand in Bukarest angesprochen hat und Sie gefragt hat, ob Sie bereit seien, das Land zu verlassen? Sie hatten zugestimmt. Wir sind davon ausgegangen, dass Sie das ernst meinten.«
»Aber doch nicht ohne unsere Kinder!«, brauste Ileana auf.
Nina hob beschwichtigend eine Hand. »In diesem Augenblick befinden sich ihre Kinder auf dem Weg nach Bulgarien. Hatte Giurescu Ihnen das nicht mitgeteilt? In einigen Stunden werden sie hier eintreffen. Unser größtes Problem war es, Sie aus der Obhut Ihrer Bewacher zu befreien. Es war Giurescu, der uns auf die Idee brachte, Sie gegen Doppelgänger auszutauschen. Er arbeitet seit Langem für den US-Geheimdienst und sorgte dafür, dass er die Verantwortung für diesen Einsatz bekam. Er versorgte uns mit allen Daten über Sie – einschließlich der Kleidung, die Sie tragen. So mussten wir lediglich geeignete Agenten finden und sie zum passenden Augenblick gegen Sie austauschen. Es wird eine Weile dauern, bis die übrigen Rumänen dahinter kommen, dass etwas nicht in Ordnung ist. Bis dahin werden wir für Sie bereits eine neue Identität gefunden haben.«
»Sagen Sie, junge Frau – warum machen Sie sich wegen uns solche Umstände?«, fragte Ileana. »Wir sind doch nur einfache Leute.«
»Das verdanken Sie einzig und allein Isabellas Ausbilder Homer Sherman und seinen guten Kontakten«, sagte Nina. »Homer war früher einer von uns und hat uns versichert, dass es für ihn wichtig sei, dass sich seine Studenten voll und ganz auf ihre Ausbildung konzentrieren können, und nicht mit den Gedanken bei ihren – in unsicheren Verhältnissen lebenden – Familien sind.«
Roman sah sie verblüfft an. »Und nur, weil einem früheren Mitarbeiter von Ihnen das wichtig ist, wird so ein Aufwand getrieben? Was steckt noch dahinter?«
Nina lächelte nur, sagte jedoch nichts mehr. In diesem Moment hielt der Transporter an und die hintere Tür wurde von außen geöffnet. Ein älterer Mann in einem Anzug mit UNO-Abzeichen kletterte hinein.
»Ich heiße Sie recht herzlich auf unserem Stützpunkt in Florida willkommen!«, sagte er freundlich. »Mein Name ist Homer Sherman. Ich denke, Nina hat Ihnen in der Zwischenzeit schon Einiges erzählt, oder?«
Nina übersetzte, so gut sie konnte und während der weiteren Fahrt erfuhren Isabellas Eltern den ganzen Umfang der Aktion.
»Ich kann es immer noch nicht fassen, dass Sie das für uns getan haben«, sagte Ileana. »Werden Sie nicht eine Menge Ärger bekommen?«
Homer Sherman zuckte mit den Schultern. »Früher sicherlich, aber ich bin nicht mehr beim CIA und ich bin - genau genommen - nicht einmal mehr US-amerikanischer Staatsbürger. Es wird einige Leute geben, die mich jetzt gern in Ketten sehen würden, doch ich bin in meiner Eigenschaft als UNO-Mitglied immun gegenüber dem US-Recht. Ich könnte zwar nach UNO-Rechtsprechung belangt werden, doch zweifle ich, dass es von dieser Seite zu einer Anklage kommen wird.«
Der Transporter brachte sie zu einem flachen Bungalow, in dem sich die Grimadius erst einmal ausruhen sollten. Ein Dolmetscher, der bereits dort auf sie wartete, wies sie in alles ein.
»Wann werden wir unsere Tochter sehen können?«, wollte Ileana wissen.
»Bald!«, meinte Homer. »Ich werde sie gleich benachrichtigen.«
Homer verabschiedete sich, nachdem er ihnen noch erklärt hatte, dass sie sich melden sollten, wenn ihnen etwas im Haus fehlen sollte.
Homer und Nina setzten sich zum Fahrer in den Transporter.
»Dann fahren wir mal zu den Lückerts«, sagte Homer grinsend. »ein inneres Gefühl sagt mir, dass wir Isabella dort finden.«
Auf ihrem Weg passierten sie das Haus der rumänischen Delegation und erlebten noch, wie die Doppelgänger der Grimadius von Giurescu ins Haus geführt wurden, während die übrigen Agenten das Gebäude draußen sicherten. Homer lachte innerlich. Was würde es für eine Enttäuschung geben, wenn sie bemerkten, wen sie da bewachten. Noch war die Nachricht von der Entführung der Grimadiu-Kinder nicht zu ihnen durchgedrungen.
Nach ein paar weiteren Minuten erreichten sie das Haus, in dem Jan Lückerts Eltern zurzeit residierten. Homer stieg aus und drückte den Klingelknopf an der Eingangstür. Nach wenigen Augenblicken erschien Jan an der Tür und sah Homer überrascht an. »Mister Sherman? Was kann ich für Sie tun?«
»Ist Isabella auch hier?«, fragte Homer zurück. »Eigentlich suche ich nämlich sie. Ich dachte, dass ich sie vielleicht hier finden könnte.«
»Äh, ja«, stammelte Jan. »Sie ist tatsächlich hier. Kommen Sie doch herein.«
Im Wohnraum sahen Jans Eltern und Isabella Homer erwartungsvoll an.
»Verzeihen Sie mein Hereinplatzen«, sagte Homer entschuldigend. »Aber ich denke, hier ist jemand, dem ich heute noch eine Freude machen kann.«
Isabella sprang auf. »Meine Eltern? Kann ich sie etwa sehen?«
»Nicht nur sehen, Isabella. Du kannst dich mit ihnen ungestört unterhalten so lange du willst.«
Sie fuhr zu Jan herum. »Hast du das gehört?«
Sie wandte sich wieder an Homer. »Ungestört? Sie meinen ohne die Leute vom Geheimdienst?«
»Vielleicht kommst du einfach mit, Isabella. Ich könnte dir unterwegs einiges erklären.«
Isabella sah Jan und seine Eltern abwechselnd an. »Wäre es möglich ... hätten Sie etwas dagegen ... wenn es nicht zu viel verlangt ist ...«
Jans Vater winkte ab.
»Los, verschwindet schon, Kinder«, sagte er. »ich mache es mir hier mit Maria schon gemütlich.«
Als sie losgefahren waren, hielt es Jan nicht mehr aus. »Dürften wir jetzt erfahren, was hier überhaupt gespielt wird? Ich kann mich noch genau an die Szenen auf dem Flugfeld erinnern. Diese Agenten hatten Isabellas Eltern mitgenommen. Wieso kann Isabella sich nun mit ihnen so lange unterhalten, wie sie will?«
»Mein Junge, es ist alles ein großes Spiel und ich hatte mich entschlossen, wieder einmal mitzuspielen. Als ich noch beim CIA war, war ich richtig gut darin. Ich muss zugeben, dass ich einige Dinge angestoßen habe, zu denen ich nicht berechtigt war. So hab ich ein paar Telefonate geführt und ein paar Kontakte wieder aufleben lassen. Es gibt immer Menschen, die einem noch etwas schulden und irgendwann ist es immer Zeit, diese Schulden einzufordern. Glücklicherweise gibt es auch in diesem Geschäft noch genügend Menschen, die über ein Ehrgefühl verfügen und ihre Schulden auch bezahlen. Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass es auch in Rumänien Leute gibt, die nicht ganz das sind, was sie vorgeben.«
»Sie meinen Agenten des CIA«, sagte Isabella.
»Richtig. Manchmal sind solche Agenten auch gleichzeitig beim - früher sagte man gegnerischen - Geheimdienst beschäftigt. Ein solcher Doppelagent war mir noch einen großen Gefallen schuldig, weil ich ihm einmal das Leben gerettet hatte. Es handelt sich um Carol Giurescu. Er war von Anfang an in alles eingeweiht und hat die Entführung und den Transport deiner Geschwister organisiert. Er hat uns alle Informationen zugespielt, die notwendig waren, um deine Eltern gegen Doppelgänger auszutauschen.«
Isabella riss ihre Augen auf. »Was haben Sie getan? Sie haben sie ausgetauscht?«
Homer nickte. Das war die beste Möglichkeit, deine Eltern diesen Leuten zu entziehen. Wenn sie jetzt feststellen, dass sie die falschen Personen bewachen, interessiert es uns nicht mehr.«
»Aber das wird doch auf Giurescu zurückfallen«, meinte Jan. »Seine Kollegen werden sofort wissen, dass er dafür verantwortlich ist. Er wird nie mehr nach Rumänien zurückkehren können, oder?«
»Du hast natürlich recht. Er ist für den CIA in Rumänien wertlos geworden. Aus diesem Grunde werden mich in Langley einige Leute wohl verfluchen, aber Carol war mit allem einverstanden. Es war ihm bewusst, dass er seine bisherige Rolle nicht mehr spielen kann. Er spielte schon lange mit dem Gedanken, auszusteigen.
»Aber wie soll es denn nun weitergehen?«, fragte Isabella. »Meine Eltern sind rumänische Staatsbürger und beherrschen kein Englisch. Auch haben Sie hier keinen Job.«
Homer winkte ab. »Wegen der Staatsangehörigkeit mach dir mal keine Sorgen. Zwar ist die Rechtslage etwas schwammig, denn die Lücke, die ich gefunden habe, ist sicherlich nicht dazu gedacht gewesen, Familien aus quasi demokratischen Staaten zu entführen. Aber dennoch ist diese Möglichkeit derzeit gegeben, und ich habe mich entschlossen, sie auch zu nutzen. Wir werden deinen Eltern den UNO-Status geben. Damit sind sie offiziell dem Zugriff der rumänischen Regierung entzogen. Ein anderes Problem ist die zukünftige Unterbringung. Wir haben nur sehr wenige Territorien, in denen ausschließlich UNO-Recht gilt. Wir müssen einen Ort finden, wo deine Eltern sicher sind und sich auch wohlfühlen können.«
»Und die Sprachbarriere?«, beharrte Isabella.
»Sie werden intensive Sprachkurse erhalten. Wir können ihnen auch eine Ausbildung und Jobs bieten – wenn sie es wollen.«
»Mister Sherman«, fragte Isabella. »warum tun Sie das alles für mich und meine Familie?«
Homer zuckte mit den Schultern und sah sie mit traurigen Augen an. »Ehrlich? Du ähnelst meiner verstorbenen Tochter. Ich will jetzt nicht in die Einzelheiten gehen, aber ich hatte immer das Gefühl, nicht genug für sie getan zu haben. Vielleicht würde sie heute sogar noch leben. Ich will mir nicht vorwerfen müssen, diesen Fehler zweimal gemacht zu haben. Also will ich alles versuchen, um dir und deiner Familie ein von Sorgen freieres Leben zu ermöglichen. Manche werden vielleicht sagen, ich würde dich anderen vorziehen. Andere werden mir vorwerfen, mich unprofessionell verhalten zu haben. In gewisser Weise werden sie sogar recht haben, aber man wird mir ganz sicher nicht vorwerfen können, diese Unprofessionalität bei der Auswertung der Ergebnisse bewiesen zu haben. Ich kann euch versichern, dass ihr es nur euch selbst zu verdanken habt, dass ihr auf den Mond fliegt.«
Inzwischen waren sie am Bungalow angelangt, in dem die CIA-Agenten Isabellas Eltern untergebracht hatten. Zwei in unmittelbarer Nähe geparkte Fahrzeuge deuteten an, dass man ihre Insassen zur Bewachung des Hauses und seiner Bewohner abgestellt hatte. Isabella war nun sehr aufgeregt. Kaum hatte der Wagen angehalten, sprang sie heraus und rannte auf das Haus zu.
»Danke Mister Sherman«, sagte Jan und schüttelte Homer die Hand, bevor auch er aus dem Wagen kletterte und Isabella hinterher lief.

Homer sah den beiden nach und wartete, bis sie verschwunden waren. Dann gab er dem Fahrer des Wagens ein Zeichen, loszufahren. Sollten sie die Zeit des ungestörten Zusammenseins genießen. Früh genug würden sie sich trennen müssen, wenn die Studenten abreisen mussten.