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1. Florida
1.2 Verschlafen
Als Jan erwachte, wusste er gleich, dass etwas schief gelaufen war. Es war der Tag der letzten Prüfung und sie hatten sich alle in der Kleiderkammer einzufinden. Bisher waren sie noch nie dort gewesen und die Bezeichnung war auch mehr als irreführend. Es handelte sich um die zentrale Ausgabestelle für Raumanzüge. Dort wurden sie angepasst und für den Anwender individuell vorbereitet. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es wirklich bereits in den Weltraum ging, aber wer weiß, was sich die NASA dabei dachte, sie dorthin zu bestellen.
Es war vollkommen still. Er blickte auf seinen Wecker und erschrak. Längst hätte er auf dem Weg zur Kleiderkammer sein sollen. Mit einem Satz sprang er aus dem Bett. Ungläubig nahm er den Wecker in die Hand. Er musste ihn im Schlaf abgestellt haben. Jan fragte sich, wieso Pelle ihn nicht geweckt hatte. Ob er auch verschlafen hatte? Auf dem Weg zum Bad stellte er fest, dass seine Zimmertür verschlossen war. Offenbar hatte er gedankenlos den Schlüssel herumgedreht, als er ins Bett gegangen war. Erinnern konnte er sich jedenfalls nicht daran. Im Flur war ebenfalls alles ruhig. Hastig stieß er die Tür zu Pelles Zimmer auf, doch der Raum war leer und das Bett ordentlich gemacht. Wieso hatte Pelle ihn nicht geweckt? Für einen Moment dachte er, dass es ja auch eine gute Gelegenheit gewesen war, ihn als Konkurrenten auszuschalten. Schnell verwarf er den Gedanken wieder. So ein Arschloch war Pelle nicht. Ihm wurde bewusst, dass er nur eine Chance hatte, noch rechtzeitig zur Prüfung zu erscheinen. Er musste sich eines der Taxis rufen und sein Taschengeld opfern. Schnell ging er ans Telefon und bestellte eines der gelben Fahrzeuge, die eine Lizenz für das NASA-Gelände besaßen. Bis der Wagen eintraf, musste er gewaschen und angezogen sein. Er rannte ins Bad und klatschte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Als er seinen Kopf hob und in den Spiegel blickte, der über dem Waschbecken angebracht war, fiel ihm ein Klebezettel auf, der direkt in Augenhöhe hing. Er war in Pelles krakeliger Handschrift geschrieben:
»Hallo Jan,
ich hoffe, dass du noch rechtzeitig wach wirst, aber du hast es mir heute Morgen sehr schwer gemacht. Ich hatte dich laut gerufen und gegen die Tür geschlagen, aber du hast nicht reagiert. Ich habe dich sogar angerufen! Wie kommst du überhaupt dazu, dich einzuschließen? Ich muss jetzt leider los. Ich hoffe, du findest diesen Zettel noch rechtzeitig. Ruf dir ein Taxi!
Gruß Pelle«
Jan starrte auf den Zettel. Also hatte Pelle sogar versucht, ihn zu wecken. Nachdem er sich frisch gemacht hatte, hetzte er zurück in sein Zimmer und schlüpfte in seine Sachen vom Vortag. Für mehr blieb keine Zeit, denn das Taxi musste jeden Moment da sein. Beim Verlassen der Unterkunft zog er die Tür hinter sich zu und kramte sein Mobiltelefon aus der Tasche. »Ein Anruf in Abwesenheit« stand auf dem Display. Es war Pelles Nummer. Leider hatte er sein Telefon auf »Vibrationsalarm« eingestellt. An diesem Morgen hatte einfach alles zusammengepasst. Mit seinen Händen beschirmte er seine Augen gegen die Sonne und blickte die leere Straße entlang, bis er weit entfernt einen kleinen gelben Punkt erblickte, der sich allmählich näherte. Skeptisch warf er einen Blick auf seine Armbanduhr und hoffte, dass es noch nicht zu spät war.