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6. Das Leben in der Akademie
6.3 Eiger
Als die Nachmittagsvorlesung beendet war, schlenderten Jan, Isabella und Pelle langsam wieder zu ihrem Wohntrakt zurück.
»Was machen wir heute noch?«, fragte Jan.
Pelle blickte auf seinen Kommunikator. »Gina hat sich bis jetzt nicht gemeldet. Ihr Job dauert wohl länger als gedacht. Ich hatte gehofft, wir könnten was zu viert unternehmen, aber daraus wird wohl nichts.«
Isabella winkte ab. »Ich muss noch ein Protokoll schreiben, und wenn ich ehrlich bin: Ich bin müde. Ich verschwinde heute früh im Bett. Wenn ihr Lust habt, könnt ihr Jungs noch was zusammen unternehmen, aber lasst mich dabei außen vor.«
Jan sah sie verblüfft an. »Ist das dein Ernst? Du willst wirklich früh ins Bett?« Er grinste plötzlich süffisant. »Allein?«
»Ja, allein. Nimm's mir nicht übel, aber ich will einmal richtig ausschlafen - in meinem eigenen Bett.«
»Wenn das dein letztes Wort ist, bleibt mir nur ein 'Gute Nacht und schlaf schön'.« Jan nahm sie in den Arm und küsste sie zärtlich. »Du nimmst es mir wirklich nicht übel, wenn ich mit Pelle noch losziehe?«
»Quatsch! Haut schon ab und macht euch einen Männerabend ...«
Jan grinste und wandte sich Pelle zu. »Was hältst du von Klettern?«
»Klettern? Warum nicht? Aber wir haben Mondnacht. Meinst du, die haben inzwischen die Beleuchtung installiert?«
»Wir können ja mal in der Südschleuse nachfragen. Dort wird man es wissen.«
»Dann wünsche ich euch viel Spaß«, sagte Isabella. »Wir sehen uns morgen.«
Sie warteten noch, bis das Mädchen hinter der nächsten Gangbiegung verschwunden war, und machten sich dann auf den Weg.
Zunächst waren die Gänge noch sauber und modern gestaltet. In regelmäßigen Abständen befanden sich Zugänge zu Arbeitsräumen, die stets wie eine kleine Schleuse gestaltet waren. Im Falle eines Druckabfalls würden sich alle diese Schotts automatisch verriegeln. Damit es für Menschen, die sich in einem solchen Fall noch auf dem Gang befinden, noch eine Möglichkeit zur Rettung gibt, waren in Abständen kleine Rettungszellen installiert, die wie kleine, runde Telefonzellen wirkten. Erreichte man im Notfall eine solche Zelle rechtzeitig, schloss sie sich um den Insassen hermetisch und versorgte ihn für einige Stunden mit Atemluft.
Die Südschleuse, die in der Regel nur von Menschen genutzt wurde, die quasi zu Fuß auf die Mondoberfläche wollten, wurde nicht so häufig besucht, und daher hatte man darauf verzichtet, auch hier eine moderne Verkleidung der Wände vorzunehmen. Der nackte Fels, den man hier aufgebrochen hatte, besaß ausreichende Eigenschaften, den Innendruck der Station zu halten. Lediglich die Temperatur wurde in diesem Bereich nicht mehr kontrolliert und gesteuert.
»Mann, ist das kalt hier«, beschwerte sich Jan und beobachtete seinen kondensierenden Atem bei jedem Ausatmen.
»Draußen ist Mondnacht, mein Guter. Minus 120 Grad Celsius schlagen da schon mal ordentlich durch. Wir sollten uns beeilen, denn in der Schleuse ist es wärmer. Dort wird geheizt.«
Nach einigen Minuten hatten sie die Schleuse erreicht. Es handelte sich um einen kleinen, vorgeschobenen Außenposten der Akademie. Von außen wirkte es wie eine, auf dem Boden liegende Halbkugel, die einige Meter vor der eigentlichen Station lag. Der einzige Weg zur Akademie führte durch den Felsengang.
Der diensthabende Schleusenwärter blickte von seinem Monitor auf, als die beiden seinen Raum betraten. »Was kann ich für euch tun, Jungs?«
»Wir würden gern etwas klettern. Ist das möglich?«
»Euch ist schon klar, dass wir Mondnacht haben, oder?«
Jan nickte. »Wissen wir. Aber man hat uns erzählt, dass die Wand beleuchtet ist.«
»Licht habt ihr genug, aber es ist saukalt am Eiger. Es könnte sein, dass die flexiblen Anzüge euch nicht so gut warmhalten, wie es wünschenswert wäre.«
»Wir würden es aber gern versuchen«, sagte Pelle.
»Gut, dann gebt mir mal die Studenten-Nummern an, damit ich sehen kann, ob ich überhaupt Anzüge habe, die euch passen.« Er schob ihnen sein Keyboard rüber. »Tippt eure Daten einfach selbst ein.«
Sie hatten Glück. Es waren Größen vorrätig, die ihnen passten. Jeder von ihnen besaß zwar sowohl einen schweren, als auch einen leichten Raumanzug, aber diese Modelle waren nicht flexibel genug, um damit in einer Steilwand zu klettern. Der Wärter holte die Anzüge aus seinem Lager und besorgte ein vollständiges Versorgungspack für vier Stunden. Jan und Pelle legten die Anzüge an und wurden dabei ständig vom Schleusenwärter überprüft. Schließlich waren sie einsatzbereit.
»Ihr wisst, wie ihr zum Eiger kommt?«
»Wir waren schon wiederholt dort, um zu klettern. Wir kennen uns aus.«
»Dann ist es gut. Es ist nämlich niemand draußen, der euch überwachen kann. Ihr müsst die Sicherheitsanlage selbst bedienen. Einen Vorteil hat es allerdings auch für euch: Draußen steht ein Jumper, den ihr nehmen könnt. Ihr müsst also nicht laufen.«
Pelle freute sich. »Das ist cool. Reicht der Helmfunk bis hierher?«
Der Mann nickte. »Ich kann euren Funk hören. Ruft, wenn ihr wider Erwarten in Schwierigkeiten kommt. Ich hab noch einen zweiten Jumper und komm dann raus zu euch.«
Jan klappte sein Helmvisier herunter, wo es schmatzend im Halsring seines Anzuges einrastete. Automatisch schaltete der Versorgungstornister die Luftversorgung ein. Jan machte mit dem Daumen das OK-Zeichen, um anzuzeigen, dass der Anzug einwandfrei arbeitete. Pelle schloss ebenfalls seinen Helm und die beiden machten sich auf den Weg nach draußen.
Die Mann-Schleusen waren recht eng, doch für zwei Personen durchaus ausreichend. Sowie der Druckausgleich erfolgt war, stießen sie das Außenschott auf und betraten die ungeschützte Mondoberfläche. Der Bereich vor der Schleuse wurde durch die Lampen der Station ausreichend beleuchtet und sie fanden ihren Jumper sofort, der etwas abseits, noch auf festem Felsgestein geparkt war. »Wer fliegt?«, fragte Pelle.
»Nur zu. Ich setz mich auch gern mal daneben.«
Sie kletterten auf die, von feinem Mondstaub bedeckten, Sitze und schnallten sich sorgfältig fest. Pelle startete die Triebwerke und ihr Jumper hob vom Boden ab. Er schwankte ein wenig, bis Pelle die Trimmung im Griff hatte, erst dann gab er Schub auf die Antriebsdüsen. Der Flug dauerte nicht lange und schon nach wenigen Minuten erreichten sie die Kletteranlage der Akademie. Sie lag vollkommen verlassen da, und die hellen Scheinwerfer der Beleuchtungsanlage waren nur für sie eingeschaltet worden. Pelle landete den Jumper und sie kletterten aus ihren Sitzen.
»Kein Mensch hier«, stellte Jan fest. »Wird die Kletteranlage wenigstens von der Station aus überwacht?«
»Macht euch keine Sorgen«, tönte es aus den Helmempfängern. »Ich hab euch in der Kameraerfassung. Sollte es Probleme geben, bin ich schnell bei euch.«
»Beruhigend zu wissen«, sagte Pelle.
Inzwischen waren sie an der Kletterwand angelangt und blickten daran empor.
Jan warf seinen Kopf in den Nacken, um durch sein Helmvisier einen besseren Blick zu haben. »Wenn ich das so sehe, verstehe ich, wieso man diese Wand ‚Eiger‘ nennt. Die geht ja wirklich absolut senkrecht nach oben.«
Pelle grinste. »Sonst würde es ja wohl auch wenig Sinn machen, hier zu klettern, oder? Dafür wiegen wir nur ein Sechstel unseres normalen Gewichts.«
Er drückte einen Knopf auf dem Sicherheitsterminal und die oben am Grat angebrachte Automatik spulte ein Seil mit einem Sicherheitsgeschirr zu ihnen hinunter. Dieses Geschirr war ihre Versicherung, wenn sie einen Fehler machten und abzustürzen drohten. Sie legten ihre Geschirre an und sahen sich an.
»Sollen wir?«, fragte Pelle.
Jan reckte seinen Daumen nach oben. »Wie wär’s mit einem kleinen Wettkampf?«
»Bist du sicher?«, fragte Pelle. »Du weißt, dass ich ein guter Kletterer bin.«
»Eben. Ich will dich endlich mal schlagen.«
»Träum weiter ...«
»Du wirst schon sehen. Ich nehm die blaue Route.«
Pelle blickte an der Wand empor und nickte. »Von mir aus. Ich wähle die Grüne. Sie ist etwas schwieriger als deine. Dann versuch mal dein Glück!«
Er trat an die Wand und fasste prüfend nach dem ersten Kletterhalt seiner Route. Jan trat ebenfalls an seinen Klettereinstieg und sah zur Seite. »Dann mal los!« Er stellte sich behutsam auf den ersten Vorsprung und suchte sich den nächsten Halt. Langsam aber stetig stieg er an der Wand empor. Als er nach einiger Zeit einen festen Stand erreichte, gönnte er sich einen Blick zur Seite, wo er Pelle vermutete. Er musste eine Weile suchen, bis er ihn entdeckte. Er war bereits einige Meter weiter oben und schien zügig voranzukommen.
»Wieso bist du schon wieder so weit oben?«
Leises Lachen tönte aus seinem Empfänger. »Ich bin eben besser im Klettern, das ist alles. Mach dir nichts draus. Lass uns einfach weiterklettern - nur so zum Spaß.«
»Wir sind noch nicht am Ziel ...«
Pelle lachte wieder leise, sagte aber nichts mehr. Jan verstärkte die Bemühungen, seinen Rückstand aufzuholen, doch sein Konkurrent schien jedes Mal noch weiter nach oben gekommen zu sein. Jan war so darauf fixiert, Pelle endlich einmal zu besiegen, dass er seine Griffe nachlässiger wählte.
»Wer nicht wagt ... », murmelte er und versuchte, einen Klettervorsprung zu erreichen, der ihn ein gutes Stück weiterbringen sollte. Er verfehlte den Tritt, verlor den Halt an seiner linken Hand und rutschte ab. Mit rudernden Armen stürzte er ein paar Meter in die Tiefe, bis ein harter Ruck der Sicherungsanlage ihn stoppte. Er ächzte, als sein Körper schmerzhaft gebremst wurde.
»Verdammte Scheiße!«
»Was ist los?«, fragte Pelle. »Bist du eben abgerutscht?«
»Ja, verdammt! Ich hänge hier wie ein nasser Sack am Sicherungsseil. Mir tun alle Knochen weh und diese Scheißanlage will mich nicht unten absetzen.«
»Verhalte dich einfach ruhig, okay? Es hat sich vermutlich nur oben das Seil in der Rolle verklemmt. Warte, bis ich oben bin. Wir bekommen das schon hin.«
»Kannst du mir verraten, wie du das machen willst?«
Pelle lachte. »Willst du bestimmt nicht wissen. Ich hab kürzlich einen der Techniker dabei beobachtet, wie er das Ding wieder gängig bekommen hat. Bleib einfach entspannt da hängen und genieße die Aussicht.«
»Pelle, du bist ein Arschloch!«
»Sei vorsichtig, Junge. Ich könnte auch zur Station zurückfahren und nur dem Schleusenwärter Bescheid sagen.«
»Pelle hör auf mit diesem Scheiß!«
»Ich bin jetzt oben. Noch ein kleiner Moment, dann geht es für dich wieder abwärts.«
»Ich hoffe, du machst da keinen Blödsinn. Es ist noch ein gutes Stück bis zum Boden ...«
Pelle trat an den Kranausleger mit dem Stahlseil heran, an dem Jan hing und suchte nach dem Werkzeug, das der Techniker benutzt hatte: einen großen, schweren Hammer. Er hob ihn auf und schwang ihn leicht herum, um Gefühl dafür zu bekommen. Auch, wenn er auf dem Mond nur ein Sechstel seines Gewichts hatte, besaß er dennoch die Masse eines 5-Kilo-Hammers. Seine Vermutung, dass sich das Seil an der Umlenkrolle verfangen hatte, traf zu. Er hob den Hammer und schlug - so fest er konnte - gegen die Halterung. Funken flogen in alle Richtungen und das Seil sprang wieder in seine Führung zurück.
»He, was treibst du da?«, fragte Jan. »Das ruckelt hier bedrohlich. Ich hab keine Lust, abzustürzen.«
»Stell dich nicht so an. Es geht gleich weiter. Ich muss dazu nur zur Steuereinheit zurück.«
Er prüfte kurz, ob sein eigenes Seil in der Führung des Auslegers lag und sprang von der Klippe in die Tiefe. Nur wenige Meter weiter unten wurde er gestoppt und anschließend sanft nach unten gefahren. Als er Jan passierte, legte er grüßend seine Hand an den Helm.
Unten hakte er sich aus und lief zur Steuereinheit. Erfahrungsgemäß schaltete die Anlage in den Stand-by-Modus, sobald Unregelmäßigkeiten auftraten. Er studierte die Anzeigen und aktivierte Jans System. Sofort begann der Motor des Auslegers zu laufen und setzte Jan sanft auf dem Boden ab. Pelle rannte zu ihm und half ihm, das Sicherungsseil loszuwerden und anschließend auf die Beine.
»Alles in Ordnung?«
»Ja, wenn man es in Ordnung findet, so jämmerlich versagt zu haben.«
»Meine Güte, jetzt krieg dich wieder ein. Es kann wirklich jedem passieren, in der Wand abzurutschen. Mir ist das schon ein Dutzend Mal passiert. Es ist auch eine Frage der Übung. Du bist eben noch nicht so weit. Um mich beim Klettern zu schlagen, musst du noch trainieren.«
»Das hab ich jetzt verstanden. Du musst nicht auch noch darauf herumreiten.«
Pelle lachte. »Ehrlich? Ich hätte nie gedacht, dass dich das so wurmt. Ich muss aber gestehen, dass ich es genieße, mal etwas besser zu können als du.«
Jan verzog sein Gesicht. »Jetzt tu nicht so, als wär ich ein Überflieger.«
»Na, ich weiß nicht. Wenn ich mir so anschaue, welche Handstände ich unternehmen muss, um durchs Studium zu kommen, und wie dir das immer einfach zufliegt ... Da kommen schon manchmal Neidgefühle auf. Kannst du das nicht verstehen?«
»Ich kann doch auch nichts dafür!«
»Hab ich auch nicht gesagt. Nur, du sollst ruhig wissen, dass es nicht jedem so leicht fällt wie dir.« Er schlug Jan mit dem Handschuh freundschaftlich auf die Schulter. »Lass uns zurückfliegen. Ich würde gern noch nachschauen, ob Gina inzwischen zurück ist. Sie hatte gesagt, sie wäre noch in der Bar, wenn sie es rechtzeitig schafft.«
»In der Bar ...«, spottete Jan. »Du willst mir einreden, du könntest dich mit Gina in der Bar treffen? Wenn dich dort jemand von der Lehrerschaft entdeckt, seid ihr reif.«
»Wir sind natürlich nicht so blöd, uns dort Alkohol zu bestellen. Aber man sitzt dort ganz gut. Komm doch mit ...«
»Ich weiß nicht ...«
Sie hatten den Jumper erreicht. »Willst du jetzt fliegen?«, fragte Pelle.
Jan nickte. Es würde ihn etwas ablenken. Sie schnallten sich an und Jan ließ die Triebwerke anlaufen. Einen Jumper zu lenken, war für ihn mittlerweile eine Sache, bei der er nicht mehr nachdenken musste. Dazu kam noch, dass Pelle auf dem Hinweg die Aufzeichnung mitlaufen ließ. Er musste also nur den aufgezeichneten Track zurückverfolgen. Nach wenigen Minuten erreichten sie bereits wieder die Station und Jan stellte den Jumper ab, wo sie ihn vorher auch übernommen hatten.
In der Schleuse nahm Jan sogleich den Helm ab, als der Druckausgleich erfolgt war, und atmete tief durch. Auch Pelle war froh, wieder normale Luft zu atmen.
»Wie sieht’s aus? Kommst du jetzt mit?«
Jan schlüpfte aus seinem Anzug und lockerte seine Muskulatur. »Ich weiß nicht.«
Der Schleusenwärter nahm ihnen die Anzüge ab und kontrollierte sie auf Beschädigungen. »Wie es scheint, wart ihr vorsichtig. Alles in Ordnung. Es geschieht nicht immer, dass ich meine Raumanzüge in einem solchen Zustand zurückbekomme.«
Pelle grinste. »Wir sind eben Profis. Danke noch mal, dass Sie uns um diese Zeit noch Anzüge und den Jumper gegeben haben.«
»Keine Ursache, Jungs. Kunden, wie euch, hab ich ganz gern.«
Sie machten sich auf den Weg zurück in die Hauptstation.
»Weißt du schon, was du machst, wenn jetzt die Semesterferien beginnen?«, fragte Pelle.
»Ich werd mit Isabella zur Erde fliegen. Wir waren beide schon sehr lange nicht mehr unten, und wir wollen unsere Eltern gern mal wiedersehen.«
»Stellst du sie deinen Eltern vor?«, fragte Pelle verblüfft. »Ist es schon so ernst mit euch?«
Jan lachte. »Mach dir keine Gedanken. Wir fliegen nur mit demselben Schiff zur Erde. Danach trennen sich unsere Wege ... leider. Aber Isabellas Eltern wohnen halt in USA und meine in Deutschland. Das wird wohl in den Ferien eher eine Telefonbeziehung werden.« Er seufzte. »Und du? Fliegst du nicht heim?«
Pelle schüttelte den Kopf. »Meine Eltern machen grad in dieser Zeit eine Weltreise. Was soll ich dann dort unten? Außerdem bleibt Gina auch hier und wird einen Ferienjob machen. Da bleib ich lieber hier bei ihr. Würdest du es anders machen?«
»Ach was. Macht euch ein paar schöne Tage zusammen.«
Inzwischen hatten sie die Bar erreicht und Pelle zog ihn am Ärmel. »Was ist nun? Kommst du noch mit rein?«
Jan spähte durch die kleinen Fenster ins Innere der Bar, in der noch nicht viel los war. An einem der Tische sah er Gina sitzen, die in einem Buch las. »Soweit ich sehe, ist deine Freundin da. Ich will nicht im Weg stehen und euch stören. Nimm es mir nicht übel, wenn ich mich verabschiede.«
»Du störst uns doch nicht. Wir machen doch oft etwas zusammen.«
»Das weiß ich, aber dann ist auch Isabella dabei und es ist etwas anderes, ob zwei Pärchen etwas gemeinsam unternehmen, oder ob ein fünftes Rad am Wagen mit von der Partie ist. Ich geh ins Appartment. Ich schau noch meine Mails durch und werde auch früh schlafen gehen. Ich wünsch euch noch einen schönen Abend.«
Pelle zuckte mit den Achseln. »Deine Entscheidung. Aber du scheinst ja nicht mit dir reden zu lassen. Dann bis morgen.«
Sie verabschiedeten sich voneinander und trennten sich. Pelle betrat die Bar und Jan sah, wie sich Ginas Miene erhellte, als sie Pelle entdeckte. Jan lächelte und machte sich auf den Heimweg. Isabella würde sicher schon schlafen.
Zu Hause angekommen, schloss er die Tür zu seinem Appartment auf und schaltete das Licht ein. Er warf sich in einen der Sessel und legte seine Füße auf den Tisch. Isabella mochte es nicht, wenn er das tat, doch sie war ja schließlich nicht da. Da fiel ihm etwas ein und er erhob sich wieder. Vorsichtig öffnete er die Tür zu seinem Schlafraum und spähte hinein. Überrascht stellte er fest, dass Isabella in seinem Bett lag und schlief. Das tat sie normalerweise nicht, wenn sie müde war und früh schlafen gehen wollte. Dann zog sie sich in der Regel in ihren eigenen Wohnbereich zurück. Jan war angenehm überrascht und lächelte. Leise schlich er ins Zimmer und gab ihr einen leichten Kuss auf die Wange, worauf sie wohlig brummte und sich fester in das Laken wickelte. Er betrachtete sie noch einen Moment und genoss den Anblick ihres entspannten Gesichts. Am liebsten hätte er sich gleich zu ihr ins Bett gelegt, doch erschien es ihm unfair, sie dadurch vielleicht zu wecken. Also zog er sich zurück und schloss die Tür leise, um sie nicht zu stören. Er setzte sich zurück ins Wohnzimmer, schaltete das TV ein und schaute noch eine Dokumentation über die Tierwelt in den Pyrenäen, die als Aufzeichnung von der Erde ins Netz der Akademie eingespeist worden war. Mit seinen Gedanken war er jedoch nicht bei der Sache. Er dachte über Isabella nach und wie er die Zeit überstehen sollte, in der sie einige Wochen lang während der Ferien getrennt sein würden. Sie hatten sich daran gewöhnt, zusammen zu sein. Wenn er sich gegenüber ehrlich war, sehnte er bereits jetzt den Tag herbei, an dem sie sich nach den Ferien wieder auf dem Mond treffen würden.