6. Das Leben in der Akademie

6.4 Ferien


Ferien auf dem Mond waren immer etwas ganz Besonderes. Vermutlich lag es daran, dass die Studenten der Akademie selten Ferien hatten. Natürlich gab es auch für sie studienfreie Zeiten, doch bedeutete das in der Regel praktische Arbeiten und Dienst für die Allgemeinheit. Reisen in die Heimat auf der Erde waren teuer und zeitraubend, daher wurden sie nur relativ selten genehmigt.
Für Isabella und Jan war es so weit. Lange hatten sie darauf gewartet, und immer wieder hatte es geheißen, dass sie noch nicht an der Reihe wären.
Der Wecker piepste durchdringend und Jan schlug mit dem Kissen nach dem nervtötenden Gerät. Er verfehlte es und es polterte, immer weiter piepsend, auf den Boden. Seufzend angelte er mit einem Arm auf dem Boden danach, bis er es endlich in der Hand hielt. Die Leuchtziffern zeigten sieben Uhr. Er schaltete die Weckfunktion ab und stellte die Uhr auf die Nachtkonsole zurück. Isabella machte sich ständig über seinen alten Reisewecker lustig und meinte, dass dieses Ding nicht mehr zeitgemäß wäre. Sie ließ sich immer von ihrer Kombinationsuhr wecken, die sie wie ein Schmuckarmband am Handgelenk trug.
Jan ließ sich auf die Matratze zurücksinken. Noch fast fünf Stunden, bis das Shuttle sie beide in den Orbit bringen würde, wo ein richtiges Personenraumschiff sie aufnehmen würde.
Normalerweise mussten Studenten, und überhaupt alle Bewohner der Station, mit Frachtern fliegen, die von Zeit zu Zeit kamen, um dringend benötigte Waren zu bringen. In letzter Zeit gab es jedoch auch einige wenige private Anbieter von Raumkreuzfahrten, die wohlhabenden Bürgern der Erde das Erlebnis von Schwerelosigkeit und Unendlichkeit bieten wollten. Meist lief es darauf hinaus, dass diese Schiffe den Mond anflogen und die Fluggäste eine der aktiven Mondbasen besichtigen konnten. Manchmal kamen die Touristen auch in die Akademie und sie amüsierten sich immer köstlich über die Unbeholfenheit dieser Menschen, wenn sie sich unter Mondschwerkraftbedingungen bewegen mussten.
Diesmal waren sie allerdings Nutznießer dieser neuen Reisewelle. Das Raumschiff »Virgin 2« umkreiste im Moment den Mond und sollte in zehn Stunden den Rückweg zur Erde antreten. Die Schiffe der Virgin-Corporation, die noch auf ihren Gründer Richard Branson zurückging, waren zwar nicht sehr groß, sollten aber ungemein komfortabel sein. Er freute sich darauf, dieses Schiff kennenzulernen, den Luxus eines Kreuzfahrtschiffes zu genießen, und natürlich auch, seine Eltern endlich wiederzusehen. Wäre da nicht ...
Jan drehte sich zur Seite, wo er Isabella vermutete, doch die Seite des Bettes war leer. Die Bettdecke war sauber zurückgeschlagen, also war sie bereits aufgestanden.
»Licht«, befahl er, und der Computer des Appartments dimmte das Licht an.
»Stopp!«, rief Jan, als es hell genug war. Er erhob sich und schaute in den Wohnraum hinein, wo Pelle am Tisch saß und eine Schale Müsli in sich hineinschaufelte.
»Morgen«, murmelte er kauend. »Wenn du Isabella suchst - die ist schon lange weg. Sie hatte einen Anruf von der Zentrale bekommen und erzählte was von einem Gleiter, den sie in die Werft bringen soll. Es wird dauern, bis sie zurück ist. Sie muss mit einem Jumper vom Krater Herschel allein zurückkehren.«
Jan sah ihn ungläubig an. »Das ist nicht dein Ernst. Weißt du, wie weit das ist? Wir sollen heute das Shuttle zur Virgin 2 nehmen. Kann sie überhaupt rechtzeitig zurück sein?«
Pelle zuckte mit den Achseln. »Woher soll ich das wissen? Ich war noch nie bis zum Herschel. Aber mit dem Jumper kann es knapp werden.«
»So ein verdammter Mist«, schimpfte Jan. »Wir können uns schon während der Ferien nicht sehen und jetzt kann es passieren, dass wir nicht einmal im selben Schiff zur Erde fliegen können.«
Pelle sah von seiner Schale auf. »Du tust mir ja richtig leid, du Blödmann! Gina muss in den kommenden Wochen arbeiten, ich vermutlich auch. Was glaubst du, wie oft wir uns in der nächsten Zeit sehen werden. Und du darfst dich mehrere Wochen lang auf der Erde von deiner Familie verwöhnen lassen. Du hast - weiß Gott - keinen Grund, dich zu beklagen. Wenn ihr euch sehen wollt, braucht ihr nur in einen Jet klettern und über den großen Teich zu fliegen.«
»Klar! Natürlich könnte ich das tun, aber weißt du, was das kostet? Das wird wohl darauf hinauslaufen, dass wir telefonieren und mailen müssen.«
»Ich kann dich trotzdem nicht bedauern.«
Jan kehrte in sein Zimmer zurück und suchte nach seinem Tera-Hz-Funkgerät, das er seit dem Zwischenfall mit Isabellas Kapsel nie zurückgegeben hatte. Es war zwischen ihnen eine stille Absprache, dass sie es bei Einsätzen immer dabei hatten, um miteinander in Kontakt treten zu können.
Er schaltete das Gerät ein und drückte die Ruftaste. Nur Augenblicke später meldete sich Isabella. »Hallo mein Schatz. Ich hoffe, du bist nicht böse, dass ich mich rausgeschlichen habe. Du hast so tief geschlafen, dass ich es nicht übers Herz gebracht habe, dich zu wecken. Hätte ich allerdings gewusst, was man mir für einen Scheißjob aufhalst, hätte ich es getan.«
»Wo steckst du denn jetzt?«
»Ich hab einen der alten TX-Gleiter zur Werft geflogen. Die Maschine hat immer wieder Triebwerksaussetzer. Zurzeit warte ich hier in der Herschel-Werft darauf, dass sie mir endlich einen Jumper geben. Ich fürchte, ich werd’s nicht schaffen, pünktlich zurück zu sein. Rick O’Hara hat mir schon die Nachricht zukommen lassen, dass ich einen Tag später mit einem Frachter zur Erde fliegen kann.«
»So eine verdammte Scheiße! Ich hatte mich darauf gefreut, mit dir zusammen auf dem Luxusschiff zu fliegen.«
Isabella lachte. »Das hätte ich auch gern gehabt. Schade, dass wir auf der Erde keine Gelegenheit haben werden, uns zu treffen. Versprich mir, dass du mich täglich anrufst.«
»Da kannst du dich drauf verlassen. Meine Eltern werden zwar nicht begeistert sein, wenn ich dauernd in die Staaten telefoniere, aber ich zahle ihnen die Rechnung fürs Telefon.«
»Jan, da kommen sie eben mit dem Fahrzeug. Ich muss Schluss machen. Ich wünsch dir eine gute Reise. Ich melde mich bei dir, sobald ich in Florida bin.«
Seufzend legte Jan das Funkgerät aus der Hand. Er gab es nicht gern zu, aber die bevorstehende Trennung von seiner Freundin tat ihm fast körperlich weh. Pelle durfte er das nicht erzählen. Er würde ihn wochenlang damit aufziehen. Er war ein guter Freund - sein bester, aber wenn man ihm eine Steilvorlage lieferte, schoss er sie auch ins Tor.
Um sich zu beschäftigen, begann er, seine Sachen für die Reise zu packen. Viel durfte er nicht mitführen, denn das Gewicht des Gepäcks war streng limitiert. Es durfte nicht um ein Gramm überschritten werden, sonst musste er direkt vor dem Einchecken seinen Koffer auspacken und sich von irgendwas trennen. Er war jedoch schon lang genug auf dem Mond, dass ihm diese Regel in Fleisch und Blut übergegangen war. Als er mit dem Packen fertig war, waren es noch immer vier Stunden, bis zur Abreise.
Pelle war inzwischen auch gegangen. Seine leere Müslischale stand noch im Wohnzimmer auf dem Tisch. Jan würde sie genau dort stehen lassen. Er hatte keine Lust, Pelles Faulheit zu unterstützen. Er ging an den Küchenblock und griff die Packung mit dem Müsli aus dem Schrank. Sie war leer.
Jan blieb nichts anderes übrig, als in die Kantine zu gehen. Mit Beginn der Ferien war dort um diese Zeit sicher nichts los, aber auch das ohnehin oft spärliche Angebot an Essen war dann noch schlechter. Die Gänge der Station wirkten wie leer gefegt. Die meisten Studenten waren bereits bei ihren praktischen Arbeiten und außerhalb der Akademie beschäftigt. Ihn störte das nicht besonders - so hatte er wenigstens seine Ruhe.
Die Kantine war tatsächlich so leer, wie er erwartet hatte. Die Theke mit den vorbereiteten Sandwiches war nicht mehr besetzt. Überhaupt sah die Auslage geplündert aus. So ging er an den Rundständer mit den Cerealien und mischte sich eine große Schale mit allem zusammen, was der Stand hergab. Zum Glück war die Milch nicht ebenfalls schon alle.
Als er in den Speisesaal hineinging, sah er ein paar Meter weiter ein Mädchen allein an einem Tisch sitzen und essen. Er kannte sie nicht näher - es war eine Studentin aus dem Jahrgang unter seinem. Sie blickte auf und grüßte. Jan nickte ihr zu und setzte sich an einen freien Tisch.
Er hatte eben angefangen, seine Portion zu vertilgen, als er angesprochen wurde.
»Hey.«
Jan blickte auf. Es war das Mädchen von eben. »Hey.«
Sie hatte ihre Schale auf einem Tablett in der Hand und sah ihn auffordernd an. »Kann ich mich zu dir setzen?«
»Hmm?«
Sie legte den Kopf schräg und schaute zwischen ihren langen Haaren hindurch. »Ich dachte, da wir vollkommen allein hier sind, wäre es vielleicht nett, wenn wir uns zusammensetzen. In Gesellschaft schmeckt’s doch besser. Was meinst du?«
Jan deutete stumm auf den gegenüberstehenden Stuhl. Sie stellte das Tablett ab und setzte sich. »Ich bin Susann Glienek.«
»Jan.« Er schluckte eine Portion herunter. »Jan Lückert. Du bist im Jahr nach mir auf den Mond gekommen, oder?«
Sie nickte. »Ja. Ich denke, wir sind uns wohl auch noch nicht über den Weg gelaufen. Ich meine, sicher sind wir das, aber wir hatten noch nichts miteinander zu tun. Du kommst aus Deutschland? Ich meine, Lückert klingt irgendwie nach Deutschland.«
»Ich stamme aus Herne. Wird dir sicher nichts sagen.«
»Oh, ich weiß genau, wo das ist. Ich komme aus Frankfurt am Main. Ich freu mich schon riesig, nach Hause zu kommen.«
Sie schaute auf ihre Uhr. »In wenigen Stunden geht es los. Und sie haben mir erst vorhin Bescheid gesagt. Kannst du dir das vorstellen?«
Jan hatte sich fast verschluckt. »Sie haben es dir vorhin erst gesagt? Wer hat dich angerufen?«
»Rick O’Hara. Er sagte, es wäre ein Platz frei geworden, und ich wäre die Nächste in der Liste.«
»Das darf echt nicht wahr sein! Ich könnte diesen Rick ... Es war überhaupt noch nicht klar, dass sie es nicht schaffen würde!«
Susann sah ihn fragend an. »Wovon redest du?«
Jan winkte ab. »Ach lass! Du kannst ja nichts dafür.«
»Nein, jetzt will ich wissen, was hier los ist.«
Jan schob seinen Stuhl etwas zurück. »Na gut. Ich bin mit einem Mädchen aus meinem Jahrgang zusammen - Isabella Grimadiu. Eigentlich sollten wir zusammen zur Erde fliegen, aber man hat ihr heute noch einen Auftrag reingewürgt und jetzt kann sie das Schiff nicht mehr rechtzeitig erreichen.«
»Das tut mir leid. Ich hoffe, du bist mir jetzt nicht böse, dass ich den Platz deiner Freundin bekomme.«
»Ach was! Ich bin doch nicht dir böse. Ich könnte nur Rick schütteln, dass er ausgerechnet ihr diesen Auftrag noch gegeben hat.«
Susann stieß erleichtert ihren Atem aus. »Ich hatte schon befürchtet, du würdest jetzt bis zur Erde kein Wort mehr mit mir wechseln. Darf ich dich was fragen?«
Jan nickte. »Was willst du denn wissen?«
»Jan, Isabella - seid ihr die beiden, die diesen wahnsinnigen Stunt mit der defekten Kapsel gemacht haben?«
»Ich würde das nicht  ’wahnsinnigen Stunt' nennen. Ich hab etwas völlig Verrücktes gemacht, weil es die einzige Chance war, sie zu retten. Du ahnst nicht, wie viel Schiss ich dabei gehabt habe.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich find’s trotzdem irre, dass du es überhaupt auf so unkonventionelle Weise versucht hast. Wie kommt man auf eine solche Idee?«
»Keine Ahnung. Ich wollte mich einfach nicht damit abfinden, dass ich sie verlieren sollte. Da hab ich es einfach versucht. Es hätte total in die Hose gehen können und dann würden wir jetzt hier nicht sitzen. Wenn ich ehrlich bin, möchte ich gar nicht mehr so sehr über diese Sache nachdenken. Es hat geklappt, wir leben und gut.«
Susann hob abwehrend die Hände. »Ich frag schon nichts mehr.« Dabei sprachen ihre Augen Bände und Jan musste unwillkürlich lachen.
»Lachst du mich aus?«
»Nein, aber du müsstest dich sehen. Dein ganzes Gesicht drückt Neugier aus, und du sagst, du willst nichts mehr fragen. Mal sehen, wir sind ja bis zur Erde noch ein paar Tage zusammen. Vielleicht erzähl ich es dir ja doch noch.«
Susann grinste. »Das reicht mir fürs Erste ... Treffen wir uns gleich am Shuttle?«
Jan nickte. »Sicher.«
Sie erhoben sich und brachten ihre Tabletts zum Ständer für gebrauchtes Geschirr. Jan betrachtete Susann, die vor ihm herlief. Sie hatte eine tolle Figur und trug ein kurzes Kleid, was auf dem Mond äußerst ungewöhnlich war. Nackte Mädchenbeine sah man hier nicht so oft, und er genoss den Anblick.
Sie wandte sich kurz um und lächelte. »Du starrst mir doch nicht auf die Beine?«
»Ich fürchte doch. Ich bin dem Anblick immerhin schutzlos ausgesetzt.«
Sie lachte laut auf. »Du bist auch um keine Antwort verlegen, was?«
»Du trägst auch nicht unbedingt eine akademieübliche Kleidung.«
Sie überlegte. »Da hast du natürlich recht. Ich hab immer schon gern Kleider getragen. Vor dem Abflug werde ich allerdings wieder raumtaugliche Reisekleidung anziehen. Sonst bekomme ich noch Ärger mit deiner Freundin.« Dabei grinste sie ihn frech an.
Während Jan zu seiner Wohneinheit zurückging, dachte er über Susann nach. Wollte sie etwas von ihm? Sie war recht offensiv zu ihm an den Tisch gekommen. Andererseits ... Es war einfach nur normaler Small Talk gewesen. Sie war ja ganz nett, und wenn er schon nicht mit Isabella zusammen reisen konnte, war es auch nicht schlecht, in den Tagen, die man bis zur Erde brauchte, etwas Gesellschaft zu haben.
In der Wohneinheit griff er gleich nach seinem Funkgerät, doch es signalisierte keinen Anruf von Isabella. Er drückte die Ruftaste, doch es erfolgte keine Reaktion. Wo sie wohl steckte? War sie schon auf dem Rückweg? Am Steuer eines Jumpers bekam man ein Rufsignal oft nicht mit. Enttäuscht legte er das Gerät zurück. Er hätte gern noch mal mit ihr gesprochen, doch er würde das Gerät in der Wohnung lassen müssen. An Bord des Shuttles oder des Raumschiffs würde man ihm sicher nicht gestatten, einen Tera-Hz-Sender zu benutzen.
Er versuchte, etwas zu lesen, doch konnte er sich nicht darauf konzentrieren. Im TV zeigten sie auch nichts Besonderes und nach Musik stand ihm nicht der Sinn. Jan war nervös, was er eigentlich nicht verstand, da seine Reise zur Erde auch nichts anderes war, als das, was er täglich auf dem Mond erlebte. Er musste sich eingestehen, dass es die Trennung von Isabella war, die ihm zu schaffen machte. Früher hatte er sich immer über seine Schulkollegen lustig gemacht, wenn sie ihm ihr Leid über die Trennung von ihrer Freundin geklagt hatten, und jetzt betraf es ihn selbst. Jetzt verstand er seine Kollegen von früher besser, doch es half ihm nicht weiter.
Schließlich war es Zeit, zum Startplatz aufzubrechen. Jan blickte ein letztes Mal auf die große Wanduhr im Wohnzimmer. Pelle hatte sich auch nicht wieder blicken lassen. Er wusste nicht einmal, für welchen Job man ihn eingeteilt hatte. Mit geschulterter Tasche und einem kleinen Koffer verließ er das Appartment und lief los.
Am Check-in war nicht viel los. Es waren nur wenige Passagiere, die zur Virgin 2 gebracht wurden. Das Raumschiff verfügte nur über wenige freie Plätze, die man den Leuten der Akademie für eine Passage zur Erde angeboten hatte. Susann war bereits dort und saß auf ihrem Koffer. Ihre Haare trug sie nun zu einem dicken Zopf verflochten. Statt des kurzen Kleides hatte sie einen engen Overall mit dem Abzeichen der Akademie angezogen. Als sie Jan entdeckte, winkte sie ihm zu. »Hier bin ich. Ich warte schon die ganze Zeit auf dich.«
»Und warum tust du das? Du hättest doch auch allein schon einchecken können.«
»Klar, aber dann hätte man uns nicht zusammen einquartiert.«
Jan sah sie fragend an. »Einquartiert? Was meinst du damit?«
»Du kennst doch Eva Terbuer, oder? Sie wird uns nach oben bringen. Sie erzählte mir, dass sie schon mal in einer Virgin geflogen ist. Das Schiff verfügt über regelrechte Kabinen, die richtig komfortabel sind. Eva empfahl, gemeinsam einzuchecken, denn dann bekommt man eine gemeinsame Kabine.«
Jan schaute sie verblüfft an. »Wir zwei? Eine Kabine? Das halte ich für keine gute Idee. Du weißt genau, dass ich ... Also ich hab eine feste Beziehung, und da werd ich sicher nicht mit einem anderen Mädchen ...«
Susann stemmte die Hände in die Hüften. »Jan Lückert, jetzt halt mal die Luft an! Ich weiß nicht, wofür du mich hältst, aber ich hab ganz sicher nicht vor, dich in mein Bett zu zerren. Ich dachte einfach nur, dass es nett wäre, die Überfahrt mit einem Kollegen zusammen zu machen. Die Kabinen sind wirklich geräumig. Jeder hat dort seinen eigenen Bereich, sagt Eva.«
Jan war es auf einmal peinlich, dass er unterstellt hatte, Susann wolle ihn Isabella ausspannen. »Du, entschuldige, ich ...«
Sie winkte ab. »Geschenkt. Ich weiß doch, dass du in festen Händen bist. Wart mal ...«
Susann nestelte an ihrem Overall, zog eine kleine Mappe aus einer der Taschen und hielt sie ihm hin. Er schaute auf ein Foto. Es zeigte Susann und einen Jungen, der sie im Arm hielt. Beide lächelten glücklich in die Kamera.
»Das ist Marco, mein Freund.« Ihr Gesichtsausdruck wurde ernst. »Jedenfalls war er es, als ich zum Mond flog. Wir haben uns seit vielen Monaten nicht gesehen und in den letzten Wochen wurden unsere Kontakte spärlicher. Ich freue mich riesig darauf, ihn endlich wiederzusehen, aber da ist auch eine hintergründige Angst, dass es nicht mehr so sein wird, wie es einmal war.«
Jan nickte. »Ja, eine längere Trennung kann für eine Beziehung schwierig werden. Ich wünsche dir, dass es ein gutes Wiedersehen wird.«
Hinter dem Abfertigungsschalter entdeckten sie Eva, die den offiziellen Overall der Shuttle-Flotte trug. Sie winkte ihnen zu. »Wollt ihr nicht mal eure Kabine buchen? Ich will in zehn Minuten abheben.«
Sie packten ihre Koffer und Taschen und begaben sich zum Schalter. Die Formalitäten für Akademieangehörige waren schnell erledigt und man händigte ihnen Bordkarten aus, die sie für eine Luxus-Kabine der Virgin 2 berechtigten. Eva nahm sie in Empfang, drückte Jan kurz und gab Susann die Hand. »Dann kommt mal mit an Bord. Die Virgin 2 muss sich bald auf den Weg machen, sonst schließt sich ihr Startfenster. Ihr ahnt nicht, wie sehr ich euch um die Reise in diesem Schiff beneide. Ihr müsst unbedingt die Küche testen. Als ich damals mit einem Virgin-Schiff geflogen bin, war sie wirklich erstklassig - nicht wie unsere Kantine.«
Sie folgten Eva und verstauten ihr Gepäck im Frachtraum des Shuttles. Eva begann schon mit ihrer Checkliste, als Jan und Susann in den Passagierbereich kletterten. Sie winkte ihnen, nach vorn zu kommen. »Ihr gehört schließlich zur Familie. Nehmt Platz, wo ihr wollt und schnallt euch an. Ich bin gleich so weit.«