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12. Rettung?
12.3 Flug nach Florida - Teil 2/2
Er deutete auf die Limousine. »Steigt ein.«
Die Fahrt zum Haus der Grimadius dauerte lange, denn sie wohnten nicht mehr auf dem eigentlichen Gelände des Raumfahrtzentrums, sondern im Süden von Merrit Island, wo viele der Mitarbeiter der NASA ebenfalls lebten. Sie hatten ihren Wohnsitz dorthin verlegt, nachdem der rumänische Geheimdienst es endlich aufgegeben hatte, ihnen nachzustellen.
Isabella sah interessiert aus dem Seitenfenster, da sie das neue Haus ihrer Eltern noch nicht kannte. Im Süden der Halbinsel fand man eine Wohnsiedlung mit zahlreichen kleinen oder mittelgroßen Häusern und Gärten. Der Wagen bog schließlich in eine Sackgasse ein und Homer erklärte, dass sie am Ziel seien. Die Grimadius wohnten in einem flachen Bungalow mit einer Garage an der Seite. Es war kein pompöses Haus, aber es war ein Haus inmitten einer Siedlung, mit sozialen Kontakten und einer Schule für die Kinder.
Isabellas Eltern freuten sich riesig über den überraschenden Besuch und luden auch Jans Eltern gleich herzlich ein, einzutreten. Mittlerweile war auch die Verständigung leichter, da alle Mitglieder der Familie Grimadiu inzwischen Englisch sprachen. Als Isabella ihnen eröffnete, dass sie und Jan heiraten wollten, holte Isabellas Vater Roman erst einmal eine Flasche Sekt.
»Unsere kleine Isabella wird heiraten«, sagte Ileana immer wieder und umarmte Jan, der ihr als Schwiegersohn willkommen war.
»Wo sind meine Geschwister?«, wollte Isabella wissen. »Ich hab sie noch gar nicht gesehen.«
»Alexandra macht ein Praktikum bei der NASA und wird erst gegen Abend nach Hause kommen. Milan und Salka sind noch in der Schule.«
»Habt Ihr euch diesen Schritt auch gut überlegt?«, fragte Roman.
»Papa!«, rief Isabella verstimmt. »Wir sind schon so lange zusammen und haben so viele Dinge zusammen erlebt. Du darfst uns glauben, dass wir wissen, was wir tun.«
Roman wiegte seinen Kopf. »Na, das bezweifle ich. Man merkt erst später, worauf man sich eingelassen hat.«
»Roman! Willst du mir etwas sagen?« Ileana sah ihren Mann mit blitzenden Augen an.
»Was du immer meinst, Schatz. Ich meine doch nur, dass man nicht wirklich weiß, was auf einen zukommt, wenn man beschließt, zu heiraten.«
»Eine Garantie werden die beiden – wie auch alle Anderen, die diesen Schritt wagen – nicht bekommen«, mischte sich Homer ein. »Aber Sie sollten wissen, dass wir in der bisherigen Geschichte der Raumakademie noch keine Eheschließung zwischen Raumfahrern hatten. Sicher, es gab vorübergehende Verbindungen zwischen Studenten, aber die körperlichen und psychischen Belastungen der Menschen auf dem Mond zerstörten diese Beziehungen oft schnell wieder. Isabella und Jan sind da durchaus eine Ausnahme.«
Roman lächelte stolz, als er das hörte.
»Ich habe doch überhaupt nichts gegen Jan«, sagte er. »Es ist nur ... ich muss mich noch daran gewöhnen, dass sie nicht mehr meine kleine Isabella ist, sondern eine erwachsene Frau und Ehefrau.«
An Jan gewandt, fügte er hinzu: »Meinen Segen habt Ihr. Pass gut auf sie auf.«
»Wo wir das jetzt geklärt haben, sollten wir überlegen, ob wir nicht vielleicht doch eine Feier hier auf der Erde organisieren können«, schlug Jans Mutter vor. »Es stört mich nämlich gewaltig, dass wir bei der Hochzeit unseres einzigen Sohnes nicht dabei sein sollen. Ich kann mir vorstellen, dass es Roman und Ileana genau so ergeht, oder?«
Ileana nickte. »Das seh ich auch so. Ganz ohne Feier kommt ihr uns nicht davon.«
Jan und Isabella lächelten. Sie waren einfach glücklich darüber, dass ihre Eltern ihren Entschluss so vorbehaltlos unterstützten und sich mit ihnen freuten. Homer verabschiedete sich und ließ die beiden Familien allein.
»Wie habt ihr euch das eigentlich vorgestellt?«, fragte Ileana ihre Tochter. »Wollt ihr hier bei uns ein paar Tage Urlaub machen oder werdet ihr uns wieder verlassen?«
»Eigentlich dachten wir, ein paar Tage hier zu bleiben, etwas an den Strand zu gehen, eben die Seele baumeln zu lassen. Alles das tun, was uns auf dem Mond nicht möglich ist.«
»Wir werden uns in der Nähe ein kleines Hotel oder eine Pension suchen«, sagte Paul.
Roman winkte ab. »Das kommt überhaupt nicht infrage! Ihr bleibt natürlich bei uns. Wir haben ein Gästezimmer, und wenn Milan und Salka für ein paar Tage in einem Zimmer schlafen müssen, wird ihnen das nicht schaden. Darüber gibt es keine Diskussion. Ich finde, wir Eltern sollten uns auch mal richtig kennenlernen.«
Paul sah seine Frau fragend an. »Was meinst du? Wir können uns doch nicht einfach hier einquartieren.«
Ileana machte eine entschiedene Geste mit den Händen. »Ihr seid unsere Gäste und fertig. Ihr werdet doch nicht unsere Gastfreundschaft ablehnen?«
Maria lächelte. »Nein, das werden wir sicher nicht tun. Dann danken wir recht herzlich.«
Ileana verschwand kurz darauf in der Küche und begann, ein Willkommensessen für ihre Gäste vorzubereiten. Zunächst wollte sie die Hilfe Marias nicht akzeptieren, doch sie ließ sich nicht abschütteln. »Wenn wir schon eure Gäste sein dürfen, möchte ich dir wenigstens behilflich sein.«
»Ich bin kein Freund der amerikanischen Esskultur«, meinte Ileana. »Ich koche für uns noch immer traditionell - auch wenn meine Kinder deswegen oft maulen.«
Maria lachte. »Haben die Amerikaner denn überhaupt eine Esskultur? Bei mir rennst du mit deiner traditionellen Küche offene Türen ein.«
Ileana schob Maria ein paar Paprika rüber. »Messer findest du dort in der Schublade. Ich glaub, wir kommen schon miteinander klar, oder was meinst du?«
»Da bin ich absolut sicher.«
Während Jan mit Isabella und den Vätern auf das Essen wartete, kamen Isabellas Geschwister mit dem Schulbus nach Hause. Lärmend kamen sie zur Tür herein und wurden einen Moment ruhig, als sie ihre große Schwester sahen.
Salka stürmte plötzlich los und warf sich mit einem Aufschrei in Isabellas Arme. »Isabella! Ist das schön, dass du uns besuchen kommst. Ich dachte schon, ich würde dich nie mehr wiedersehen.«
Isabella küsste ihre Schwester auf die Wangen und schob sie dann ein Stück von sich weg. »Ich freu mich auch, endlich mal wieder bei euch zu sein. Meine Güte bist du gewachsen, seit ich das letzte Mal hier war.«
Salka machte ein säuerliches Gesicht. »Jetzt fängst du auch schon an wie die Erwachsenen.« Sie musterte Jan. »Du bist Bellas Freund, oder?«
»Salka, du musst doch Jan noch kennen.« Isabellas zeigte eine vorwurfsvolle Miene. »Wir sind schon so lang zusammen und du hast ihn doch damals auf der Abschlussfeier vor unserem Start zum Mond kennengelernt.«
Salka zeigte ihr einen Vogel. »Du spinnst doch wohl! Weißt du, wie lange das her ist? Da war ich noch ganz klein.«
Isabella lächelte. »Vermutlich hast du recht. Aber du wirst dich an Jan gewöhnen müssen.«
»Wieso?«
»Weil ich ihn heiraten werde.«
»Du willst ... das war jetzt kein Scheiß? Du heiratest?«
Isabella nickte. »Und Jan wird dann dein Schwager sein. Sei also nicht ganz so garstig zu ihm, ja?«
Salka sah Jan mit großen Augen an. »Schwager? Dann sind wir verwandt oder so was?«
Jan amüsierte sich königlich über Salka. »Ja, so was in der Art. Meinst du, du kommst damit klar?«
Salka trat spontan auf ihn zu und drückte ihn. »Du bist schon in Ordnung. Und wenn Bella mit dir klarkommt ... Also, ich hab nix dagegen.«
»Da sind wir aber auch froh ...«, frotzelte Isabella und wandte sich Milan zu, der bisher abwartend die Szene betrachtet hatte. »Komm her, mein liebster und einziger Bruder! Lass dich begrüßen.«
Milan grinste schief und ging auf seine Schwester zu, die ihn fest umarmte. »Ich hab dich vermisst, Bella. Schön, dass du da bist.«
Anschließend schüttelte er Jan die Hand. »Ich kann mich noch gut an dich erinnern. Du hast doch damals diesem rumänischen Wachhund aufs Maul gehauen.«
Jan lachte. »Ein bisschen anders hat es sich schon abgespielt.«
Milan winkte ab. »Ist doch egal. Ich find's cool, dass ihr heiratet.«
Ileana betrat mit einem Stapel Teller das Zimmer. »Isabella, Milan, Salka, ihr deckt bitte schon mal den Tisch. Maria und ich kommen gleich mit den Schüsseln.«
»Ich bin wieder zu Hause«, sagte Isabella. »Man wird gleich wieder für den Haushalt eingespannt.«
Ileana hob einen Finger in ihre Richtung. »Red nicht, sondern mach lieber. Es gibt jetzt Essen.«
Die Haustür öffnete sich und Isabellas Schwester Alexandra betrat das Haus. Überrascht blickte sie sich um. »Hallo, ich bin zu Hause! Darf man fragen, was hier los ist?«
»Alex!«, rief Isabella und eilte auf ihre Schwester zu. Sie umarmte sie und drückte sie fest an sich. »Schön, dass ich dich auch endlich wiedersehe.«
»Mir geht es genauso. Hab ich was verpasst oder bist du ganz überraschend gekommen? Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich doch viel früher gekommen.«
Isabella lächelte verschmitzt. »Nun ja, für euch war es überraschend, aber Jan und ich hatten schon länger vor, die Eltern zu besuchen.«
Alexandra bemerkte erst jetzt Paul und Maria. Mit nachdenklichem Gesicht begrüßte sie die beiden. »Sie sind Jans Eltern, nicht wahr? Ich kann mich noch erinnern, sie bei Bellas Abschiedsfeier kennengelernt zu haben.«
Sie blickte zwischen ihnen und ihrer Schwester hin und her. »Jans Eltern hier bei uns in Florida? Hier ist doch was im Busch. Sag schon, Schwesterherz - was ist hier los?«
Isabella hielt es nun nicht länger aus, Alexandra zappeln zu lassen. »Alex, wir wollen heiraten. Wir haben Jans Eltern mitgebracht, um wenigstens eine kleine Vorfeier gemeinsam hier auf der Erde machen zu können.«
»Ihr heiratet?« Alexandra fiel ihrer Schwester um den Hals. »Da freue ich mich für euch.« Sie löste sich von ihrer Schwester und machte das Gleiche bei Jan. »Ich hab immer gesagt, dass ihr gut zueinanderpasst.«
Isabella betrachtete ihre etwas jüngere Schwester genauer. Sie hatte sich stark verändert, seit sie sich zuletzt begegnet waren. Sie war erwachsen geworden und - abgesehen von den wenigen Jahren, die zwischen ihnen lagen - war sie ihr jüngeres Ebenbild. »Du hast dich verändert, Alex.«
»Du warst lange nicht mehr bei uns. Ich bin nicht mehr das kleine Kind. Ich bin erwachsen.«
»Ja, und wie ich von Homer gehört habe, hast du dich bei der Akademie beworben. Meinst du, das ist das Richtige für dich? Tust du es nicht nur, weil ich es dir vorgemacht habe?«
»Bella hör auf! Ich weiß genau, was ich will. Meine Zensuren in allen Naturwissenschaften waren immer hervorragend. Durch dich weiß ich, wie dieses Berufsprofil aussieht. Glaub mir, ich würde mich auch dort bewerben, wenn ich keine große Schwester hätte, die ein Raumschiff führen kann. Aber ich weiß ja auch nicht, ob sie mich annehmen werden. Bisher ist es nur eine Bewerbung.«
Isabella sah Jan an und deutete auf Alexandra. »Meine Schwester. Ich bin wirklich stolz auf sie.«
»Das sieht man«, lachte Jan. Zu Alexandra gewandt: »Ich drück dir auf jeden Fall alle meine Daumen ganz fest, dass du eine von uns wirst.«
»Das tu ich auch«, fügte Isabella hinzu.
Ileana erschien in der Tür und klatschte in die Hände. »Ich denk, ihr sitzt längst am Tisch ... Maria und ich kommen jetzt mit den Schüsseln.«
Sie setzten sich und die Mütter trugen das Essen auf, wobei sie von Salka und Milan unterstützt wurden. Nach einem kurzen Tischgebet stürzten sich alle auf die Leckereien, die von den Köchinnen in der Küche bereitet worden waren. Die beiden Familien amüsierten sich prächtig und immer wieder mussten sich Jan und Isabella Anspielungen gefallen lassen, dass es doch schade wäre, wenn die Hochzeitsfeier so bescheiden auf dem fernen Mond stattfinden müsse.
»Lässt sich daran denn überhaupt nichts ändern?«, fragte Paul seinen Sohn. »Ihr zwei seid jetzt schon so lange zusammen. Könnt ihr nicht warten, bis ihr das nächste Mal auf die Erde kommt und wir kümmern uns um die Feier? Dann könnten wir euren wichtigen Schritt gebührend würdigen.«
»Da können wir nur zustimmen«, bekräftigte Ileana.
»Mutter, wir haben uns das lange überlegt.« Isabella hob hilflos ihre Arme. »Wir würden das auch lieber so machen, aber bald müssen wir wieder auf den Mond zurück und wir können nicht so ohne Weiteres Urlaub planen, wie andere Menschen das können. Es gibt noch immer viel zu wenige Raumfahrer und ständig muss man einspringen. Natürlich steht uns Urlaub zu und irgendwann kommen wir auch wieder hierher, um richtig auszuspannen. Aber den Zeitpunkt bestimmt die Akademie und nicht wir. Glaub mir, wir würden es nicht so machen, wenn es anders ginge.«
»Wir versprechen aber, dass wir noch eine Feier machen, wenn wir das nächste Mal kommen - als Eheleute Lückert.«
»Was habt ihr denn überhaupt in den kommenden Tagen bis zu eurer Abreise vor?«, fragte Paul.
Isabella seufzte. »Einfach mal ausspannen. Wir dachten, mal runter zum Honeymoon Lake zu fahren und die Sonne zu genießen. Mit dem Wagen ist es nicht mal eine Stunde. Wir würden dann vielleicht auch mal dort in einem Motel übernachten und anschließend wieder hierher zu kommen. Wär das ein Problem?«
»Ihr wollt nicht hier bei uns bleiben?« Roman machte ein enttäuschtes Gesicht.
»Die Reparatur unseres Schiffes soll etwa drei Wochen dauern. Die letzte Woche werden wir hier mit euch verbringen.« Sie sah Jans Eltern an. »Ihr seid doch dann noch hier oder?«
Maria sah ihren Mann fragend an, doch der winkte ab. »Ich hab noch genügend Urlaub. Wenn uns die Grimadius noch so lange ertragen, bleiben wir gern hier. Wir könnten aber auch in ein Hotel ziehen.«
»Kommt überhaupt nicht infrage!«, rief Ileana. »Ihr seid natürlich unsere Gäste.«
Am nächsten Tag packten sie ein paar Sachen und liehen sich Ileanas Auto aus, um für ein paar Tage an den See zu fahren. Sie liebten ihre Eltern, doch noch mehr freuten sie sich auf eine ungestörte Zweisamkeit an einem kleinen Strand unter einer beständig strahlenden Sonne.
Nach zehn Tagen kehrten sie, braun gebrannt und erholt zurück ins Haus von Isabellas Eltern, die sie bereits sehnlich erwartet hatten. Noch eine gute Woche sollte ihnen bleiben und die wollten sie nun im Schoße ihrer Familien verbringen. Die so verschiedenen Eltern hatten in den vergangenen Tagen endgültig Freundschaft geschlossen und Roman hatte seinen neuen Freund Paul fürs Fischen begeistern können. Auch die Frauen hockten nur noch zusammen und tauschten ihre Erfahrungen aus. Jan und Isabella waren einfach glücklich, dass es offensichtlich gelungen war, diese Vier zusammenzubringen, die doch eigentlich so weit voneinander entfernt lebten.