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13. Der Flug der JEAN SIBELIUS
13.10 Kommandant London Brown
London Brown steuerte das Beiboot an eine der noch freien Schleusen heran, die die JEAN SIBELIUS noch hatte.
Sabina Doyles Gesichtsfarbe wurde allmählich wieder normal. Es hatte sie geschockt, dass Kyle tatsächlich eine Raketensalve auf sie abgefeuert hatte. Nur Londons genialen Fähigkeiten als Pilot hatte sie es zu verdanken, dass sie noch lebten. Niemals hätte sie geglaubt, dass Kyle so verrückt war. Auch Lech Vasecky, dem ehemaligen Navigator, steckte der Schreck noch in den Gliedern. Nur London hatte keine Zeit, sich mit den Geschehnissen der letzten Minuten zu befassen, denn er war damit beschäftigt, das Beiboot so an der Schleuse anzudocken, dass ihnen das Tragen eines Raumanzuges erspart bliebe.
Kurze Zeit später öffnete einer der Männer von Hagen Thermorn ihnen von innen den Zugang zum Schiff und sie schlüpften schnell durch den engen Schlauch mit atembarer Luft.
Der Mann salutierte leicht, als er erkannte, wen er vor sich hatte. »Mr. Brown, haben Sie Befehle für mich?«
London winkte ab. »Wo geht es zur Zentrale?«
Der Söldner deutete in eine Richtung. Die drei dankten kurz und machten sich auf den Weg. Ein paar Minuten später erreichten sie die Zentrale und sahen sich dort interessiert um. Neben Hagen Thermorn und einigen seiner Leute befanden sich noch fünf weitere Personen dort. Es musste sich dabei um die ursprüngliche Besatzung der JEAN SIBELIUS handeln. Die Atmosphäre wirkte überraschend entspannt. London hatte unwillkürlich erwartet, dass die Besatzung des gekaperten Schiffes mit Waffengewalt in Schach gehalten werden müsste.
»London, was machst du hier?«, fragte Hagen. »Und warum bringst du Lech und Sabina mit?«
»Sind Sie für diesen ganzen Zirkus hier verantwortlich?«, fuhr Isabella dazwischen und stellte sich direkt vor London, der sie verblüfft ansah.
»Setz dich wieder hin, Püppchen!«, befahl London. »Wenn ich mich überhaupt mit jemandem von der Besatzung unterhalte, dann ist es der Kommandant und nicht irgendeine Kommunikationstippse, hast du verstanden?«
Isabella stand kurz vor dem Platzen. »Ich bin die Kommandantin dieses Schiffes, Sie aufgeblasener ...!«
»Isabella, lassen Sie es bitte!«, unterbrach Hagen sie.
Sabina schob sich an London vorbei und maß Isabella mit ihren Blicken.
»Sie waren vielleicht die Kommandantin dieses Schiffes, aber nun gehört das wohl der Vergangenheit an, Schätzchen«, sagte sie. »Kommandant Brown übernimmt nun hier das Kommando.« Sie blickte sich um und fragte: »Wer von Ihnen war bisher der Ortungsoffizier?«
»Sabina, ich brauch dich nicht als Sprachrohr«, wies London Sabina zurecht. An alle gewandt, fügte er hinzu: »Aber sie hat nicht unrecht. Ich übernehme jetzt das Kommando über die JEAN SIBELIUS, da unser Schiff, die BLACK BOTTOM, nach einem Treffer aus ihrem Triebwerk stark angeschlagen ist. Sie alle werden unsere Gäste bleiben, bis wir unsere Mission erfüllt haben. Wenn Sie sich vernünftig verhalten und unsere Arbeit nicht behindern, wird Ihnen nichts geschehen.«
»Was ist mit Kyle und Thomas?«, wollte Hagen wissen.
»Die haben es vorgezogen, auf der BLACK BOTTOM zu bleiben«, sagte London. »Mein Bruder hat den Verstand verloren. Er hat sogar auf uns geschossen. Ich fürchte, dass er noch mehr Schwierigkeiten machen wird, wenn wir nicht bald aufbrechen. Sabina, übernehme bitte den Ortungs- und Kom-Stand, Lech, du – wie üblich – Navigation und ich selbst werde den Vogel fliegen. Hagen, du hältst uns den Rücken frei.«
Pat, Renata und Isabella räumten nur äußerst widerwillig ihre Plätze und mussten mit ansehen, wie die Piraten von ihrem Schiff Besitz ergriffen. Isabella musste sich eingestehen, dass diese Leute etwas von ihrem Fach verstanden. Bereits nach kurzer Zeit hatten sie sich mit den wichtigsten Funktionen des Schiffes vertraut gemacht.
»Ich will ja keine Panik verbreiten«, sagte Sabina. »aber so wie ich das sehe, befindet sich ein Raumschiff im Anflug auf unsere Position.«
»Ein Schiff?«, fragte London. »Was für ein Schiff?«
»Das weiß ich doch auch nicht, aber es nähert sich uns mit hoher Geschwindigkeit.«
London drehte sich zu Isabella herum, die mit den anderen Besatzungsmitgliedern zusammen im Hintergrund stand.
»Reden Sie, welches Schiff kommt da auf uns zu?«
»Woher soll ich das denn wissen?«, fragte Isabella. »In meinem ursprünglichen Auftrag steht nichts von einem Treffen im All.«
»Das stimmt«, bestätigte Hagen. »Ich hab die Bordbücher gelesen.«
»Für einen Zufall kann ich das aber auch nicht halten«, meinte London. »Jedenfalls nicht bei der geringen Verkehrsdichte hier draußen. Sabina halte mich auf dem Laufenden. Ich will sofort wissen, mit wem wir es zu tun haben.«
»Soll ich die Männer mit den Beibooten aussenden?«, wollte Hagen wissen. »Die sind wenigstens bewaffnet.«
»Wir warten noch«, entschied London.