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13. Der Flug der JEAN SIBELIUS
13.14 Flucht in den Asteroidenring
»Sie schleusen Beiboote aus«, meldete Haruki Ono. »Was haben sie denn nun wieder vor?«
»Beiboote?«, fragte Jan. »Sie wollen uns angreifen! Der Frachter besitzt keine Waffen, aber die Beiboote sicherlich. Sean, sofort Gegenmaßnahmen und Partikelkanone laden!«
Bald stellten sie fest, dass es ein unsinniger Kampf war, der sich da entspann. Die gegnerischen Schiffe besaßen keine Waffen, die ihre Abwehrwolke durchdringen konnten, gleichsam waren ihnen selbst auch die Hände gebunden, weil die Wolke natürlich ihr eigenes Abwehrfeuer ebenfalls zerstreute. Die große Partikelkanone funktionierte zwar, war aber für die kleinen, wendigen Boote viel zu schwerfällig.
»Was hat das nur für einen Sinn?«, fragte sich Jan immer wieder. »Das muss ihnen doch von Anfang an klar gewesen sein, dass sie uns so nicht beikommen können.«
Auf einmal schlugen alle Ortungsinstrumente an.
»Was ist das?«, wollte Jan wissen. »Haruki?«
»Sie starten«, meldete Haruki verblüfft. »Wieso hab ich das nicht schon vorher bemerkt?«
»Das war es also«, sagte Jan. »Es war einfach nur ein Ablenkungsmanöver. Pelle, wann ist der Plasmaantrieb einsatzbereit?«
»Fünf Minuten!«, rief Pelle Larsson, Jans bester Freund und Techniker der FREELANCER.
»Schneller geht es nicht?«
»Ich kann nicht zaubern!«
»Das war ein guter Coup«, meinte Mandy Gomez. »Sie haben schon ganz schöne Geschwindigkeit. Wir werden uns ranhalten müssen, um sie einzuholen.«
»Das wäre doch gelacht, wenn ein Kriegsschiff einen Frachter nicht einholen könnte, oder?«, fragte Jan entschlossen. Er brannte darauf, endlich Fahrt aufnehmen zu können. Er war nervös, als er an Isabella dachte. Wie es ihr wohl ging? Wurde sie auch jetzt noch gut behandelt? Gedankenverloren kaute er an seinen Nägeln, während er die Anzeige der Leistungskurve des Reaktors beobachtete.
»Sag mal, was machen wir denn mit den kleinen Angreifern hier?«, fragte Mandy. »Der Frachter ist abgehauen, ohne sich um sie zu kümmern. Wir können sie doch nicht hier sich selbst überlassen.«
»Willst du etwa noch den Samariter spielen für Leute, die uns noch immer angreifen?«, fragte Pelle empört. »Sollen sie doch sehen, wie sie klarkommen. Dieser Beiboot-Typ hält es schon einige Wochen im All aus. Dann sollen sie um Hilfe ersuchen. Die Raumsicherung der UNO wird sich freuen, solche Typen einsammeln zu dürfen, aber ich würde mir nicht eine Horde Söldner an Bord holen wollen. Du etwa, Jan?«
»Auf gar keinen Fall«, bestätigte Jan. »Mandy, mach uns einen Kurs fertig, der uns schnell von diesen Plagegeistern befreit und uns auf die Fährte der JEAN SIBELIUS setzt. Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
Die Minuten bis zur Einsatzbereitschaft der Triebwerke verrannen quälend langsam. Die JEAN SIBELIUS bewegte sich fast schon am Rand des Erfassungsbereichs der Radarsysteme, als Jan schließlich die Startsequenz einleitete und die mächtigen Triebwerke der FREELANCER das Schiff auf den Weg brachten. Schon nach wenigen Sekunden hatten sie die Beiboote hinter sich gelassen. Sie hatten ihnen noch einige wenige wütende Schüsse hinterher geschickt, doch die FREELANCER weit verfehlt.
Pelle atmete heftig aus.
»Ich bin froh, dass wir diese kleinen Biester hinter uns gelassen haben«, sagte er. »Ich hatte schon befürchtet, dass sie irgendwann vielleicht einen Glückstreffer landen könnten.«
Jan reagierte nicht. Er war hoch konzentriert und ließ die Ortungsmonitore nicht aus den Augen. Haruki bewies all sein Können, indem er das fliehende Schiff nicht aus dem Fokus seiner Radarsysteme verlor. Zwischen Mandy und Jan schien die Zusammenarbeit fast automatisch abzulaufen, denn es dauerte nicht lange und sie befanden sich auf einem Kurs, der sie allmählich näher an die JEAN SIBELIUS heranführen sollte.
»Haruki, wie sieht es mit den relativen Geschwindigkeiten aus?«, fragte Jan.
»Plusminus null!«, rief Haruki. »Wir verfolgen sie, aber wir kommen auch nicht näher heran.«
»Verdammt!«, entfuhr es Jan. »Ich hatte gehofft, sie noch vor dem Asteroidenring einholen zu können, oder sie sogar zu überholen.«
»Vielleicht schaffen wir das auch«, meinte Pelle.
Jan fuhr zu Pelle herum.
»Wie meinst du das?«, fragte er ironisch. »Kennst du etwa eine Abkürzung?«
Pelle lachte. »Auch nicht schlecht, aber nein, die Lösung sieht etwas anders aus. Du kennst doch das Prinzip unseres Antriebs: Der Plasmastrom wird in Magnetfeldern kanalisiert und gezielt ausgestoßen. Dabei regulieren die vor den Abstrahldüsen befindlichen Magnetfelder der Ableitbleche den Plasmastrom, um eine extreme Feinabstimmung zu ermöglichen.«
»Du musst mir keinen Vortrag über grundlegende Technologien unseres Schiffes halten Pelle«, mahnte Jan. »komm zum Punkt.«
Pelle verzog beleidigt das Gesicht, als er fortfuhr: »Ich wollte ja nur darauf hinweisen, dass wir zurzeit die Leistung unserer Plasmapartikel-Kanone nicht brauchen. Es wäre durchaus möglich, diese Leistung umzuleiten, um noch etwas aus unseren Triebwerken herauszukitzeln.«
»Das wäre aber riskant, meinst du nicht?«
Pelle winkte ab. »Die haben werksseitig so hohe Sicherheitsanforderungen gestellt, dass die Magnetfelder und sogar die Ableitbleche eine Menge mehr vertragen. Wenn du mich fragst, können wir der Triebwerkseinheit die Zusatzbelastung ruhig für einige Stunden zumuten. Es würde uns so viel Geschwindigkeit verleihen, dass wir eine gute Chance hätten, die JEAN SIBELIUS noch vor Erreichen des Asteroidenrings zu überholen.«
Jan wiegte seinen Kopf hin und her. »Das klingt einerseits verlockend, andererseits – was bringt uns das? Sie haben noch immer Geiseln an Bord. Ich will sie nicht gefährden.«
»Ich weiß selbst, dass Isabella dort in dem Schiff sitzt«, sagte Pelle gereizt. »Aber es müsste doch möglich sein, ihr Schiff so zu beschädigen, dass sie nicht mehr ohne Risiko im Gürtel manövrieren können. Sie wären dann zur Aufgabe gezwungen.«
»Und was, wenn sie dann anfangen, Geiseln zu töten?«, brauste Jan auf. »Die haben doch nichts zu verlieren. Wenn sie vor einem UNO-Gericht, oder schlimmer noch, einem der nationalen Gerichte landen, werden sie für viele Jahre hinter Gitter wandern.«
»Jan, ich verstehe deine besondere Situation«, wandte Sean McConnor ein. »Aber ich gebe Pelle recht. Ich könnte den Frachter so manövrierunfähig schießen, dass die Piraten damit weder im Asteroidengürtel navigieren könnten, noch mit dem Schiff ohne fremde Hilfe wieder die Erde erreichen würden. Wir könnten sie dann aushungern. Wir könnten sie sogar dort draußen lassen und weitere Hilfe holen. Ich möchte bezweifeln, dass sie tatsächlich Morde begehen würden, denn sie würden ihnen nichts nutzen. Sie hätten dadurch kein funktionierendes Schiff.«
Jan seufzte laut. »Ihr wisst, was ihr von mir verlangt, oder nicht?«
Er nickte Pelle zu. »Na los, dann bereite die Einspeisung der zusätzlichen Energie ins Triebwerkssystem vor. Wenn es schon sein soll, sollten wir auch keine Zeit mehr vergeuden. Sehen wir zu, dass wir sie einholen.«
Nun zeigte sich, dass Pelle bereits vorgearbeitet hatte. »Dann schnallt euch alle mal richtig an, Leute! Denn das, was jetzt kommt, ist ein Ritt auf dem Vulkan.«
Er wartete, bis er von den anderen die Meldung bekam, dass alles klar wäre, dann drückte er eine Reihe von Tasten. Das tiefe Brummen der Triebwerke steigerte sich spontan zu einem unangenehmen Dröhnen und gleichzeitig legte sich ein zentnerschweres Gewicht auf ihre Brust. Niemand von ihnen war noch in der Lage, auch nur den kleinen Finger zu rühren, doch das war auch nicht notwendig, denn die Kursparameter waren bereits im Computer und ein weiteres Eingreifen war vorerst auch nicht notwendig. Pelle hatte die zusätzliche Belastung von vornherein zeitlich begrenzt, da er sich schon gedacht hatte, dass sie von Zeit zu Zeit eine Erholungsphase brauchen würden.
Die FREELANCER beschleunigte mit Werten, die noch kein, von Menschen gebautes Raumschiff erreicht hatte, und raste der vorausfliegenden JEAN SIBELIUS hinterher.* * *
Sie waren nun schon etliche Tage unterwegs und an Bord der JEAN SIBELIUS hatte sich so etwas wie eine Bordroutine herausgebildet. London war nach einiger Zeit wieder ruhiger geworden, als das Schiff immer schneller wurde und von einem Verfolger nichts zu sehen war. Hagen Thermorn hatte entschieden, dass die Geiseln nicht länger gefesselt sein sollten, und stellte klar, dass man ohne Zögern von der Waffe Gebrauch machen würde, wenn man herausfinden sollte, dass die Geiseln gegen die Schiffsleitung arbeiten würden. Isabella sagte zu, dass man nichts gegen sie unternehmen würde, worauf Hagen ihre Fesseln entfernte. Sabina und auch London hatten allerdings kein gutes Gefühl dabei. Hagen beobachtete ihre Gefangenen genauestens, fühlte sich aber in seiner Entscheidung bestätigt.
»Warum tun sie das eigentlich?«, fragte Isabella Hagen.
»Was meinen sie?«, wollte Hagen wissen. »Ich denke, Flucht ist derzeit die einzige Wahl, die uns bleibt.«
»Das meine ich nicht. Ich meine, warum greifen sie andere Schiffe an und rauben sie aus? Sie hatten doch selbst ein großes Schiff. Man hätte sie sicherlich mit Kusshand für Transportaufgaben gebucht, meinen sie nicht?«
»Sehen sie, Isabella, ich war immer Söldner. Etwas anderes habe ich nicht gelernt und nur darin bin ich gut. Wenn mir jemand überdurchschnittliche Einnahmen verspricht und dafür einen vertretbaren Einsatz fordert, dann frage ich nicht nach dem Warum. Die BLACK BOTTOM gehörte nicht mir, sondern Kyle und London. Sie hatten einen Weg gefunden, schnell viel Geld zu verdienen. Das reizt jeden – besonders, wenn er Söldner ist.«
»Trotzdem kann ich sie nicht verstehen«, sagte Isabella. »London hat, ohne mit einer Wimper zu zucken, ihre Leute geopfert, um sich einen winzigen Vorteil zu verschaffen. Meinen sie nicht, er würde auch jeden anderen hier opfern, wenn es ihm nutzen würde? Wodurch kann er sich noch ihrer Loyalität sicher sein? Welchen Grund haben Sie, noch immer ihren Kopf hinzuhalten? Sie machen doch einen besonnenen Eindruck – im Gegensatz zu anderen.«
Hagen sah sich kurz um, dann sagte er leise: »Ich würde an Ihrer Stelle vorsichtig sein, mit dem, was ich sage. Ich mag Sie und ich würde es nicht gern sehen, wenn Ihnen etwas geschieht.«
»Das darf doch nicht wahr sein!«, rief Sabina Doyle von ihrer Ortungskonsole.
»Was ist los?«, wollte London wissen.
»Du wirst es nicht glauben, aber wir werden verfolgt.«
»Du blöde Kuh!«, sagte London verächtlich. »Natürlich werden wir verfolgt, oder meinst du, wir fliegen nur zum Spaß in diese Richtung?«
Man sah Sabina an, dass sie wütend war. Ihre Augen blitzten und waren zu Schlitzen zusammengekniffen. Sie wollte erst gegen diese Unverschämtheit protestieren, doch Hagen machte ein Zeichen mit der Hand, dass sie sich zurückhalten solle. Im letzten Moment schluckte sie ihren Ärger hinunter und zwang sich zur Sachlichkeit.
»Ich weiß selbst, dass wir verfolgt werden, aber ich habe Ortungsreflexe, denen zufolge sie so dramatisch aufholen, dass ich nicht glaube, dass wir es rechtzeitig bis in den Gürtel schaffen.«
»Das ist lächerlich!«, rief London. »Mach deine Arbeit ordentlich und prüf noch mal die Messungen. Wir fliegen mit maximaler Beschleunigung und die anderen haben auch keine anderen Triebwerke, als wir.«
»Bist du dir da sicher?«, fragte Hagen, der zusammen mit Isabella zur Ortungskonsole kletterte. Sabina schaute Isabella erst misstrauisch an. Als Hagen meinte, es sei schon in Ordnung, zuckte sie mit den Achseln und ließ Isabella auf die Monitore schauen.
»Die FREELANCER holt wirklich auf«, sagte Isabella nach einem kurzen Blick.
»Sag ich doch«, meinte Sabina und deutete mit dem Kopf auf London. »Aber dieser verbohrte Ignorant hat ja seine Objektivität völlig verloren. Ich hatte vorher immer geglaubt, Kyle wäre der Psychopath, doch allmählich bin ich überzeugt davon, dass London nicht anders ist.«
»Und warum hast du dich dann mit diesem Kyle abgegeben?«, fragte Hagen.
»Das geht dich überhaupt nichts an!«, zischte Sabina. »Meinst du, nur Ihr Kerle habt ein Recht auf Vergnügen?«
»Hört auf, verdammt noch mal!«, fuhr Isabella dazwischen. »Macht euch lieber Gedanken darüber, wie wir alle hier heil herauskommen!«
Sabinas Kopf ruckte zu Isabella herum. »Was hast du denn hier zu melden? Nimm gefälligst wieder Platz bei den anderen Gefangenen. Ich kann es sowieso nicht leiden, dass ihr hier frei umherlaufen könnt.«
»Ja, wir sind Eure Gefangenen«, sagte Isabella gefährlich leise. »Aber Eure Situation ist mehr als aussichtslos. Allein diese Reaktion eben zeigt mir, dass du Angst hast, Sabina. Mach dir doch nichts vor. Die FREELANCER ist ein Kampfschiff. Sie wird die JEAN SIBELIUS aufhalten, das ist Fakt. Die einzige Chance ist, jetzt aufzugeben. Ich wäre sogar bereit, zur Euren Gunsten vor Gericht auszusagen.«
Sabina lachte verächtlich. »Ich soll Angst haben? Wenn du mich fragst, geht dir der Arsch auf Grundeis, Kommandantin Isabella.«
»Und wenn es so wäre?«, fragte Isabella kühl. »Was würde das für dich für einen Unterschied machen? Die Wahl besteht noch immer zwischen Gefängnis oder Raumbestattung. Damit du es weißt: Ja, ich hatte Angst. Ich hatte sogar furchtbare Angst. Aber inzwischen bin ich an einem Punkt angelangt, wo ich sehe, wie jämmerlich Eure Versuche sind, Euch der Verantwortung zu entziehen.«
»Solange wir euch als Geiseln haben, wird uns nichts geschehen«, meinte Sabina optimistisch. »Dieser Lückert an Bord des anderen Schiffes ist doch sicher dein Mann, oder? Der wird schon nicht auf dich schießen lassen.«
»Da wär ich mir nicht so sicher«, meinte Hagen, der mit angehört hatte, wie die beiden Frauen die Klingen gekreuzt hatten. In diesem Moment verzog Isabella schmerzverzerrt ihr Gesicht. Sie wechselte buchstäblich ihre Farbe und hielt sich krampfhaft an der Lehne des Kontursessels fest, der neben ihr am Boden verankert war.
»Was ist mit Ihnen?«, fragte Hagen.
Renata Leqlerque, Isabellas Navigatorin schnallte sich von ihrem Sitz ab und kam eilig herüber. Besorgt betrachtete sie Isabella, die bereits mit einer Hand abwinkte.
»Es ist nichts. Es geht schon wieder.«
»Es war nichts?«, fragte Sabina. »Ich dachte, du würdest gleich umfallen. Sag schon, was mit dir los ist.«
»Sie ist schwanger«, erklärte Renata. »Die extreme Belastung während der letzten Tage war nicht gut für sie.«
»Renata!«, regte sich Isabella auf. »Das geht diese Leute nichts an!«
Sabina, die bisher äußerst biestig auf Isabella reagiert hatte, sah sie überraschend verständnisvoll an. »Das wusste ich nicht.«
»Hätte es etwa eine Bedeutung gehabt, wenn du es gewusst hättest?«, fragte Isabella aufgebracht.
»Jetzt reg dich mal nicht so auf. Wir sind keine Unmenschen.«
»Was ist da hinten los?!«, brüllte London von der Steuerkonsole. »Könnt Ihr vielleicht auch Eure verdammte Arbeit machen?«
»Ach Scheiße, London!«, rief Sabina. »Ich hab dir schon gesagt, dass dieses Schiff uns in Kürze überholen wird, aber das willst du ja nicht hören! Wenn du mich fragst, geht hier alles den Bach herunter.«
London fuhr herum und zog seine Waffe, die er ohne zu zögern auf Sabina richtete.
»Du machst jetzt deine Arbeit und hältst dein Maul!«, fuhr er sie an. »Ich garantiere dir, dass ich jeden kaltmachen werde, der jetzt nicht seinen Job macht.«
Hagen runzelte seine Stirn und sah London abschätzend an.
»London hör auf mit diesem Mist! Steck die Waffe weg, bevor hier noch etwas passiert!«
Londons Blick wurde fragend. »Jetzt auch noch du?«, fragte er. »Ich werd es mir merken, das garantiere ich dir.«
Hagens Blick blieb unbeeindruckt. Seine Hand war unmerklich ebenfalls zu seiner Waffe gewandert. Erleichtert stellte er fest, dass London seine Waffe sicherte und wegsteckte. Er drehte sich wieder seinen Instrumenten zu und meinte:
»Schnallt euch an, ich weiß jetzt, wie ich diese Schweine fertigmache. Wenn sie meinen, uns überholen zu müssen, dann sollen sie unseren Plasmaausstoß schmecken. Es werden jetzt ein paar harte Manöver folgen.«
Sie hatten kaum Zeit, seinen Anweisungen zu folgen, als London bereits das Schiff in eine extreme Kurve zwang. Auf seinem Monitor sah er ebenfalls die Anzeige der Ortungskonsole und passte den Kurs der JEAN SIBELIUS dem des Verfolgers an. Da die FREELANCER mit erheblich höherer Geschwindigkeit unterwegs war, hoffte London, dass sie keine Chance haben würden, ihrem Triebwerksabgas zu entkommen.
Sabina sah Hagen mit ängstlichem Blick an. Hagen hatte sie noch nie so erlebt. Sabina war immer extrem selbstbewusst und hart erschienen. Jetzt zeigte sie, dass es in ihr anders aussah, als sie alle anderen Glauben machen wollte. Unvermittelt griff sie nach seiner Hand. Hagen war im ersten Moment verblüfft, doch dann erwiderte er den Druck ihrer kleinen Hand, die in seiner großen Pranke lag. Hagen blickte ihr in die Augen und glaubte, etwas wie Dankbarkeit darin zu entdecken.
London mutete der JEAN SIBELIUS eine Menge zu, als er sie immer wieder waghalsige Schwenks machen ließ, um den Triebwerksausstoß des Schiffes wie eine Waffe gegen ihre Verfolger einzusetzen. Doch auch in der FREELANCER saß kein Anfänger an der Pilotenkonsole und so gelang es dem Verfolgerschiff immer wieder, den Attacken Londons auszuweichen.
Hagen musterte London nachdenklich. Er hatte schon seit geraumer Zeit den Eindruck, dass er dem psychischen Druck ihrer Situation nicht mehr gewachsen war. Nicht, dass er seine Arbeit als Pilot nicht vernünftig ausführen würde – das war es nicht. London war nach wie vor ein genialer Raumschiffpilot. Es gab sicher nicht Viele, die ein im Grunde fremdes Schiff nach so kurzer Zeit so gut im Griff hatten wie er. Hagen zweifelte nicht daran, dass er alles tun würde, um den Verfolgern zu entkommen. Doch war Hagen inzwischen eingefallen, woher er den Namen Jan Lückert kannte. Er hatte sich vor ein paar Jahren einen Namen als Pilot des Schiffes gemacht, das wesentlich für die Verhinderung der chinesischen Invasion auf dem Mond verantwortlich war. In ihrem Verfolgerschiff saß somit ebenfalls ein erstklassiger Pilot, was ihre Chancen, zu entkommen, immer geringer erscheinen ließ.
Während er noch nachdachte, erschütterte plötzlich ein lauter Knall das Schiff und einige Alarmsirenen verbreiteten einen ohrenbetäubenden Lärm.