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14. Tanz auf dem Vulkan
14.07 Hoffen auf Rettung
Das Warten in der DIGGER XI war das Schlimmste. Die Triebwerke hatte man bereits vor längerer Zeit abgeschaltet, da sie sowieso nichts mehr nutzten, nachdem die Verdichterzellen geplatzt waren. Jetzt schalteten sie nur von Zeit zu Zeit Teile der Anlage ein, wenn es wieder notwendig war, die Akkumulatoren für den Strom aufzuladen. Energiemangel würde es nicht sein, der sie letztlich umbringen würde. Das Frischwasser war es, das sie nicht mehr erneuern konnten.
Neema Parker, die Kommandantin des Schiffes, hatte sofort nach der Havarie angeordnet, dass nur noch Wasser für die nötigsten Dinge zur Verfügung stehen würde. Dazu gehörte nicht die Körperpflege.
Die vier Besatzungsmitglieder hatten in ihrer Not beschlossen, noch untereinander zu heiraten, bevor sie sterben mussten. Neema als Kommandantin hatte die Trauungen vorgenommen und im Bordbuch der DIGGER XI eingetragen. Lance Payne hatte eine Flasche Whisky an Bord geschmuggelt, die er nun hervorholte und die sie zu viert gemeinsam leerten. Unter der Wirkung des Alkohols gelang es ihnen sogar, eine ausgelassene Party zu feiern. Erst am nächsten Morgen setzten sie sich zusammen und überlegten, was sie tun sollten. Eine Rettung vonseiten der Erde schied von vornherein aus. Sie würden also hier ausharren müssen und nur noch auf ihren Tod warten.
»Ich weiß nicht, wie Ihr darüber denkt«, hatte Jack gesagt. »Aber ich hab nicht vor, allmählich vor die Hunde zu gehen. Wenn Ihr mich fragt, öffnen wir die Schleusen und machen der Sache ein Ende.«
»Ich weiß nicht recht«, hatte Leo Parker geantwortet. »Irgendwie bleibt doch immer die Hoffnung, dass vielleicht doch noch Hilfe kommt.«
Noch während sie darüber diskutierten, wie es denn weitergehen solle, hatte das Funkgerät angesprochen. Es war eine leicht verstümmelte Nachricht gewesen, doch trotzdem hatten sie gehört, dass die Erde ein Schiff zu ihrer Rettung ausgesandt hatte. Lance hatte sofort noch eine Rückfrage gestellt, doch nun würden sie wieder viele Stunden warten müssen.
»Das ist doch Augenwischerei«, sagte Jack. »Wie soll denn ein Schiff rechtzeitig bei uns eintreffen, selbst, wenn sie es bereits auf die Reise geschickt haben?«
»Sag Schatz, warum bist du so scharf darauf, so schnell zu sterben?«, fragte Lance seine frischgebackene Ehefrau. »Ich würde lieber jede Minute mit dir genießen, die ich noch habe.«
Jack schmiegte sich an Lance und klammerte sich an ihn.
»Das will ich doch auch, aber ich hab Angst vor einem langsamen Dahinsiechen, wenn nachher kein Wasser mehr da ist. Da würde ich es vorziehen, noch ein paar schöne Tage und Nächte zu erleben und dann gemeinsam den letzten Schritt zu tun, obwohl ich auch davor eine furchtbare Angst habe.«
Lance nahm Jack fest in die Arme und drückte sie.
Neema und Leo hatten den beiden zugesehen und blickten sich nachdenklich an.
»Wir werden auf jeden Fall erst mal abwarten, was sie uns von der Erde mitteilen«, sagte Neema bestimmt. »Wir haben ja weiß Gott kein Zeitproblem, wenn wir uns schon selbst umbringen wollen. Für ein paar Wochen haben wir ja noch Wasser, wenn wir es uns gut einteilen.«
So verging fast der gesamte folgende Tag, ohne, dass eine Antwort auf ihre Funkanfrage eingegangen wäre. Die Nerven der Vier lagen bloß. Dann endlich schlug die Eingangsanzeige des Funkgeräts an. Es war eine Textmeldung von der Erde. Man hatte der Tatsache Rechnung getragen, dass es nicht einfach war, eine Sprachmitteilung störungsfrei bis in den Kuipergürtel zu übertragen.
»UNO-Akademie an DIGGER XI«, stand dort zu lesen. »Spezialraumschiff RISING STAR seit etwa dreißig Stunden auf dem Weg zu Ihnen. Wenn alles glattgeht, wird das Schiff unter Kommando von Isabella Lückert in etwa fünfundfünfzig bis sechzig Stunden bei Ihnen eintreffen. Kontaktaufnahme durch die RISING STAR in frühestens zwanzig Stunden nach Empfang dieser Nachricht. Bitte bestätigen!«
Sie blickten immer wieder auf den Monitor.
»Wie ist das möglich?«, fragte Lance. »Kein Schiff kann so schnell sein, wie sie es beschreiben. Selbst Plasmaschiffe könnten uns nicht innerhalb der Zeit erreichen, die uns noch bleibt. Warum tun sie so etwas?«
»Das ist wirklich grausam«, stellte Jack fest.
»Aber wenn sie wirklich ein Schiff haben, das so schnell ist, wie sie es schildern, haben wir eine gute Chance auf Rettung«, meinte Leo.
»Vielleicht wollen sie uns aber auch nur beruhigen«, vermutete Lance.
»Das macht doch alles keinen Sinn!«, rief Neema aus. »Ich bin sicher, dass sie tatsächlich einen Trumpf im Ärmel haben. Wieso sollten sie sich überhaupt die Mühe machen, uns noch zu beruhigen, wenn sie uns schon abgeschrieben hätten? Sie würden ihr Bedauern zum Ausdruck bringen, aber keinen Zweifel daran lassen, dass sie uns nicht helfen könnten. Wir haben doch wirklich nichts zu verlieren. Wir warten ab, ob dieses rätselhafte Schiff sich bei uns meldet.«
Ob sie es nun wahr haben wollten, oder nicht, die Nachricht hatte in jedem von ihnen einen neuen Keim der Hoffnung gepflanzt.