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14. Tanz auf dem Vulkan
14.08 Wendepunkt
Die RISING STAR hatte inzwischen fast ihren Wendepunkt erreicht, an dem Isabella den Antimaterie-Antrieb stilllegen musste, um das Wendemanöver durchzuführen. Mittlerweile hatte sie eine gewisse Routine im Umgang mit den Einrichtungen des Schiffes. Sie hatte sowohl ihren Körper mehrfach komplett eingecremt, als auch die Hygieneeinrichtung benutzen müssen. Die Absaugvorrichtung war ebenso effektiv, wie ekelhaft. Sie nahm sich vor, darüber mit den Konstrukteuren zu sprechen, wenn sie wieder zu Hause war. Das Essen hatte mit dem eigentlichen Essen nichts zu tun, half aber, ihren Hunger zu stillen und den Körper bei Kräften zu halten. Ein paar Mal hatte sie auch Wasser zu sich genommen. Beim ersten Mal hatte sie es nicht vorsichtig genug gemacht und es hatte wehgetan, doch nun hatte sie schon Routine dabei, die ihr ermöglichte, ihren Durst schnell und schmerzfrei zu stillen.
Unmittelbar, bevor sie das Triebwerk abstellen musste, ging ein Textanruf ein: Jan teilte ihr mit, dass er es nicht verstehen könne, dass sie einen solch gefährlichen Job angenommen habe. Gleichzeitig schrieb er, dass er ihr alle Daumen drücke, dass sie unversehrt mit den Opfern des Unfalls von der DIGGER XI zurückkehren werde. Zuletzt kam noch ein kurzer Satz, in dem er mitteilte, dass Christina ihren ersten Zahn habe. Das war zu viel für Isabella. Sie vermisste Jan und die Kleine sehr. Am liebsten wäre sie auf der Stelle umgekehrt, doch das war nicht möglich. Zwar musste sie nun das Schiff wenden, doch würde es weiterhin mit dieser unglaublichen Geschwindigkeit von fast acht Prozent der Lichtgeschwindigkeit weiterfliegen, bis es dann in der Nähe des Zieles zum Stillstand kommen würde in weiteren zweiundvierzig Stunden.
Isabella gab die Sequenz für die Abschaltung des Triebwerks ein. Ein einfaches Abschalten hätte zu einer Katastrophe führen können. Der Computer musste ein ganz exakt definiertes Verfahren zur Abschaltung durchführen. Während die Abschaltung im Gange war, stellte sich die Übelkeit wieder ein, die sie zu Beginn der Reise bereits empfunden hatte. Glücklicherweise dauerte diese Phase nicht lange und die RISING STAR flog antriebslos.
Isabella wusste, was sie zu tun hatte. Mit anderen Schiffen hatte sie schon Dutzende solcher Manöver geflogen. Die RISING STAR besaß eine ganze Reihe von Steuerdüsen, die das Schiff zügig um eine Querachse drehen ließen. Kompliziert war nur die ungünstige Masseverteilung dieses kegelförmigen Schiffes. So musste Isabella den Wendevorgang immer wieder korrigieren, bis die Triebwerke endlich in Fahrtrichtung zeigten. Sie kontrollierte noch einmal den Kurs des Schiffes, dann schaltete sie die Plasmatriebwerke erneut ein. Wenigstens diese Triebwerke sollten schon mal laufen, denn so war das Schiff wenigstens manövrierfähig. Nach einiger Zeit ließ sie die Antimaterie-Einspeisung anlaufen. Wieder schüttelte sich das Schiff bis in die Grundfesten, bis es nach einiger Zeit gleichmäßig lief und sich das Schiff beruhigte. Die Übelkeit hielt sich diesmal in Grenzen, da sie sich scheinbar bereits etwas besser darauf eingestellt hatte. Sie richtete die Funkantenne neu aus, damit sie in Richtung der Erde und des Mondes zeigte und begann zu tippen:
»Lieber Jan, verzeih mir, dass ich ohne dich zu fragen diese Reise unternommen habe, aber ich hatte keine Wahl. Ich bin die Einzige, die dieses Schiff derzeit fliegen kann. Ich hatte im Simulator viel Erfahrung gesammelt. Du musst verstehen, dass ich die letzte Hoffnung der Menschen bin, die in der DIGGER XI warten. Das Einzige, was mich wirklich geschockt hatte, war die Sache mit der Flüssigatmung, doch mittlerweile hab ich mich daran gewöhnt und komme damit zurecht. Die hohe Beschleunigung ist unter diesen Umständen kein Problem mehr. Gib Christina einen dicken Kuss von mir. Ich bin bald zurück.«
Isabella schaltete den Sender aus und richtete die Antenne neu aus. Sie sollte ab jetzt auf ihr Ziel zeigen. In einigen Stunden würde sie versuchen, mit der Besatzung der DIGGER XI eine Verbindung aufzunehmen.